Das gibt mir Berge!

Der Alpinkader-Lehrgang der Naturfreunde Österreich ging im Juni ins zweite Jahr. Im Lauf der bereits absolvierten Ausbildungsmodule haben sich die Teammitglieder gut kennen- und schätzen gelernt. Sie können sich aufeinander hundertprozentig verlassen und unternehmen auch außerhalb des Kaders tolle Touren.

 

 

Der blaue Himmel hebt sich scharf von den Granitnadeln und verschneiten 4000ern von Chamonix ab. Über mir zieht ein perfektes Risssystem mehrere hundert Meter zum Gipfel der Aiguille du Roc; mittendrin klettert Patrick und ist von der Kletterei offensichtlich begeistert. Eine schöne Seillänge folgt der nächsten, und bald stehen wir am Gipfel. Glücklich und mit geschwollenen Fingern kehren wir zu unserem Zelt unter den Wänden zurück und planen die Tour für den nächsten Tag: die legendäre Südwand der Aiguille du Fou.

Das ist für mich Klettern mit den Kaderjungs: anspruchsvolle Ziele mit viel Freude und Spaß bei der Sache. Die Gruppe hat ein gutes alpinistisches Niveau, man kann sich auf jeden verlassen und gemeinsam tolle Routen angehen – sei es eine hohe Eiswand, eine alpine Route im Fels oder kombinierte Kletterei.

 

Voneinander lernen

Neben einem soliden Basiskönnen in allen Disziplinen hat jeder noch sein „Spezialgebiet“, und wir können uns gegenseitig pushen und voneinander lernen. Lorin hat bereits Expeditionserfahrung und schon einige Routen (vor allem kombinierte Touren) erstbegangen, etwa letzten August in Kirgisistan, und ist innerhalb von nur sechs Monaten die drei großen Nordwände (Grandes Jorasses, Eiger, Matterhorn) geklettert. Viel Know-how im technischen Klettern sowie eine ausgefeilte Technik auf kniffligen Platten (Rotpunktbegehung einer Platte mit Bewertung 8a+) bringt Patrick mit; im Frühling war er mit Skiern und Eisgeräten in Island unterwegs. Klassische Alpintouren, konditionell anspruchsvolle Gratüberschreitungen und Steilwandabfahrten auf Skiern (z. B. Skiabfahrt Cima Tosa) sind Michis Lieblingsterrain. Thomas ist besonders gut auf Steigeisen und hat das in Patagonien und in den Alpen unter Beweis gestellt: Cerro Torre, Fitz Roy, Eiger-Nordwand (an einem Tag!) und Ortler-Nordwand in nur einer Saison! Ich fühle mich am meisten in großen Felswänden zu Hause und konnte mir schon einige Wandträume verwirklichen, etwa die Salathé und die Nose am El Capitan, die Südwand der Marmolata, die Via Vertigine am Monte Brento und ein mehrtägiges Solo mit Portaledge (= Plattform zum Biwakieren in Felswänden) am Washington Column im Yosemite Valley. Clemens musste leider den Alpinkader aus gesundheitlichen Gründen verlassen; wir hoffen jedoch, mit ihm in Zukunft weiter Touren unternehmen zu können.

 

Starke Seilpartner

Obwohl jeder eine andere alpinistische Laufbahn mitbringt, haben wir die Leidenschaft für die Berge, die Freude am Leben im Moment und viel Motivation und Begeisterungsfähigkeit als gemeinsamen Nenner. Das Wertvollste am Kader ist für mich, starke Seilpartner mit den unterschiedlichsten Erfahrungen zu haben, was einerseits für gemeinsame Ziele motiviert, aber auch neue Ideen für persönliche Kletterprojekte liefert. Ein neuer Aspekt ist auch die Zusammenarbeit mit unseren Sponsoren (Mountain Equipment, Edelrid, Pieps), wodurch wir interessante Einblicke und eine optimale Ausstattung für unsere Unternehmungen erhalten.

 

Nächstes Modul: Alpinklettern

Neben Stärken hat jede Alpinistin/jeder Alpinist auch ihre/seine Schwächen. Mein Ziel für die vergangene Wintersaison war es, mich vor allem im Eis und in kombinierten Routen weiterzuentwickeln. Der Eislehrgang im Februar mit Timo Moser und das Können der anderen Teilnehmer haben mich dabei sehr unterstützt. So kann ich trotz des milden Winters auf eine erfolgreiche Eissaison zurückblicken, zu deren Abschluss ich mit einer Freundin die Nordkante des Fußsteins bei winterlichen Verhältnissen klettern konnte.

Unsere nächste Ausbildung, das Modul „Alpinklettern“, findet Ende Juli mit Timo in Chamonix statt. Ich freue mich schon auf wertvolle Tipps und vor allem auf tolle Tage mit dem Alpinkader. Im Anschluss daran geht’s für mich einen Monat lang zum Bigwallklettern nach Kirgisistan.

 

Text und Fotos: Babsi Vigl, Mitglied des Naturfreunde-Alpinkaders

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