Langer gelber Weg am Torstein

Michael Groher und Patrick Freudenthaler on Tour.

 

Der frühe Wintereinbruch im Oktober schien meine heurige Klettersaison ungewollt bald zu beenden. Sehr schade da ich im Herbst gerne unterwegs bin, da meist ideale Verhältnisse in Südwänden herrschen, die Natur rundherum in wunderschönen Farben erscheint und genug Klettermeter gesammelt wurden für anständige Unternehmungen!

Als sich jedoch gegen Ende Oktober ein stabiles Hoch einstellt, scheint der Herbst doch noch dem Winter Paroli zu bieten. Mein Tatendrang und Motivation für ein längst überfälliges Abenteuer signalisieren mir dieses Hoch unbedingt nicht ungenutzt zu lassen. Leider sind die Tage schon sehr kurz um diese Jahreszeit, jedoch ist mein Verlangen nach einer langen alpinen Wand zu groß um mich von solchen Kleinigkeiten abhalten zulassen.

Die Dachstein-Arena Süd schien mir perfekt und ist sowieso immer Wert für einen Besuch. Schon seit ich das erste Mal die Tourenbeschreibung des langen gelben Wegs (VI+/A1) in der Torstein Südwand im Schall Führer gelesen habe, wusste ich, dass ich diese Tour auf alle Fälle machen will: „Durch die beeindruckend steile und wilde Rauchkarwand führt einer der längsten und anspruchsvollsten Alpinklassiker, welcher bisher nur selten begangen wurde“. Erstbegehung durch niemand geringeren als Klaus Hoi und Gef. 1969 eine Kletterlegende, welcher an der Erschließung des Dachstein- und Gesäuse-Gebirges so maßgeblich beteiligt war, wie kein Anderer.

 

Bei einer kurzen Internetrecherche stieß ich zufällig auf einen kurzen Bericht von Robert Roithinger, der zusammen mit Walter Kerndler 2007 die erste freie Begehung dieser Route verbuchen konnte (die 11. Begehung überhaupt!), indem ich auch erfahre, dass die Tour sanft saniert und somit der lange beschwerliche Weg vom Torstein zurück ins Windlegerkar durch abseilen  über die Route umgangen werden kann. Was diese Leistung betrifft, so werden wir noch öfters ins Staunen kommen, aber dazu später mehr.

 

All diese Umstände waren dafür verantwortlich, dass mir diese Route nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, und kaum ein Tag verging, an dem ich nicht an diese Route denken musste. Natürlich kann solch eine Unternehmung nur mit dem richtigen Partner unternommen werden. Leider ist es meist schwierig für solche (Tor)touren jemanden zu motivieren, umso mehr hat es mich gefreut, dass ich einen so starken Kletterer wie Patrick für diese Tour begeistern konnte!

 

Am Sonntag, den 1. November, sollte es dann so weit sein und wir starten von Filzmoos auf der Mautstraße Richtung Wallehen Hütte, welche kurz unter dem sogenannten Sulzenhals gelegen ist. Kurz nach der Abzweigung auf die Forststraße mussten wir jedoch leider feststellen, dass der Schranken geschlossen und abgesperrt ist. Da wir leider unseren Bolzenschneider zu Hause vergessen hatten, blieb uns kurzer Hand nichts anderes übrig, als unseren Zustieg um eine Stunde genussreichen Forststraßen „Hatscher“  zu verlängern, eine Stunde, die wir noch dringend brauchen könnten, aber wiederum später mehr dazu!

 

Schließlich erreichen wir dann trotzdem irgendwann mit einer Stunde Verspätung den Einstieg. Es ist bereits wunderbar warm und die Wand präsentiert sich von ihrer extrem trockenen Seite! Spätestens jetzt erinnere ich mich wieder an die Tourenbeschreibung, als ich meinen Kopf in Richtung des wolkenlosen tief blauen Himmels strecke: Wilde, sehr steile Wand mit vielen Rissen und Verschneidungen.

 

Ohne weitere Verzögerungen seilen wir uns an und ich starte in die erste Seillänge. Ein leichter, gestufter Vorbau führt zum ersten Stand. Patrick kommt nach und startet in die zweite Seillänge, eine schräg nach rechts ziehende Rampe, die sich anschließend in einen senkrechten Riss umkehrt. Vom Stand kann ich Patrick nicht mehr beobachten, merke allerdings, dass er nur langsam vorankommt. Plötzlich rührt sich gar nichts mehr am Seil und Patrick signalisiert mir mit einem lauten „Oida Scheiße“, dass er wohl Probleme haben dürfte! Er dürfte wohl einem Verhauerhaken gefolgt und den Riss zu spät verlassen haben. Schnell ist er jedoch wieder am richtigen Weg und nach ein paar Minuten sitzt er gut gelaunt an einem Platz der inneren Ruhe und Ausgewogenheit und ruft lautstark: Stand! Ich komme ohne größere Probleme nach und übernehme die Führung. In freier Kletterei geht es in einer kurzen Platte hin zum Stand. Patrick erreicht mich und startet in die eindrückliche vierte Seillänge. Spätestens jetzt wird uns klar, dass Schluss mit Lustig ist, und was auf uns heute noch alles zukommen wird. Nach ein paar Metern muss Patrick seine Freikletterambitionen über Bord werfen und kämpft sich über den sehr überhängenden ÜberhangJ. Ich komme nach und ziehe mich ebenfalls mit Hakenbenützung über diese Stelle. Die nächste Seillänge wird dann von mir in teils freier teils technischer Kletterei überwunden. Die nächsten Seillängen sind ein Wechselspiel aus Rissen und Verschneidungen. Die Haken sind teils in guten, teils in grausigen Zustand. Auch stecken viele alte Holzkeile in den Rissen, ich teste einige auf ihre Zuverlässigkeit, doch eine bloße Berührung reicht, um die Keile herauszubekommen, Friends welche gute Freunde!

 

Nun ist es aber soweit und ich starte in die numerische Schlüsselseillänge. Ein wilder Überhang versperrt mir den Weg, aber mit Hakenbenützung kann ich ihn schließlich doch überlisten! Der Rest der Seillänge stellt eine Querung unterhalb eines kleinen Daches dar, welche (wiedermal) mit einem kaputten Holzkeil (vielleicht aber noch gut für ein kleines Biwak –Lagerfeuer geeignet)  gesichert ist. Nun würden uns eigentlich nur mehr zwei Seillängen bis zum Ende der Route (Einmündung in den Südostkessel) fehlen. Leider ist es bereits 15.00 Uhr. Da wir für das Abseilen ca. zwei Stunden kalkuliert haben, und es bereits um 17.00 Uhr dunkel wird, müssen wir auf die letzten beiden Längen verzichten und beginnen uns abzuseilen. Ohne gröbere Schwierigkeiten kommen wir am Wandfuss und freuen uns über unser langes gelbes Abenteuer.

 

Mit Stirnlampe geht es zurück zum Sulzenhals vorbei am Schranken, der uns die letzten beiden Seillängen kostete. Übrig bleibt zu sagen, dass dieser schöne Novembertag wohl ideal ausgenützt wurde, wir wiedermal um jede Menge Eindrücke und schönen Momenten in den Bergen reicher geworden sind. Bereits am Rückweg werden zukünftige Pläne, gemeinsame Träume und Ziele besprochen, gibt es etwas schöneres als müde und abgekämpft nach solch einem Tag schon wieder motiviert in die Zukunft zu sehen?

 

Einmal mehr kann man sich vor Klaus Hoi nur verneigen, welche Willensstärke, Mut Ausdauer und Kraft muss dieser Mensch haben, um solche Routen zu finden und zu erschließen, und dass mit der damaligen Ausrüstung!

Unser Tribut gilt natürlich auch Robert und Walter, für mich vollkommen unverständlich diese Route frei klettern zu können. Auch im Klettergarten bei perfekter Absicherung wäre jede einzelne Länge sicherlich schwierig zu punkten, aber dass in dieser Wand mit diesen Umständen, Jungs ihr habt‘s drauf!

 

 

Text von Michael Groher

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