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Heinz Peter Starchl

geb. 29.03.1948 – verst. 20.09. 2023

 

Abschied von Heinz Starchl
in der Stadtpfarrkirche Dornbirn am 28. September 2023

 

DDr. Arnulf Häfele

 

Der Gang zu diesem Pult fällt mir sehr schwer, werte Trauergemeinde, liebe Angehörige, denn die letzten Tage haben auch mein Leben verändert. Die regelmäßigen Treffen zwischen Heinz und mir wird es nicht mehr geben. Es waren Fixpunkte in unser beider Leben, die auf einer echten Freundschaft, nicht auf einer politischen Freundschaft, beruhten. Ganz selten war er nachdenklich gestimmt bei unseren Treffen, viel öfter war er fröhlich, hat vor immer neuen Ideen gesprüht und dann mit seinem schallenden Gelächter die Nebentische im Café aufgeschreckt. Das alles ist Geschichte. Dabei hätten wir noch so viel Gesprächsstoff gehabt.

Ich habe von Heinz zum ersten Mal gehört, als er – selbst noch in jugendlichem Alter – in der Gewerkschaftsschule unterrichtet hat. Ich habe ihn damals noch nicht persönlich gekannt. Aber ich habe immer wieder Leute getroffen, die voller Begeisterung von dieser Gewerkschaftsschule und von Heinz als Vortragendem geschwärmt haben. Mit großer Leidenschaft hat er die Gewerkschaftsidee vertreten. Sein großer Traum war, ein bisschen mehr Gerechtigkeit schon auf dieser Erde zu erreichen. Das blieb sein unausgesprochenes Motto bis zur letzten Stunde: Mehr Gerechtigkeit schon in diesem Leben und kein ungewisses Vertrösten auf später.

Natürlich waren die Formulierungen des wortgewaltigen Heinz oft drastisch. Gerade weil oder obwohl er selbst leidenschaftlicher Gewerkschafter war, hat er den Gewerkschaftsbund einmal öffentlich als undemokratisch bezeichnet und mit der KPdSU, der kommunistischen Partei der Sowjetunion, verglichen, was ihm, dem jungen Angestellten der Arbeiterkammer, nicht nur Lob eingetragen hat.  Und als vor kurzem der burgenländische Landeshauptmann Doskozil die Gewerkschafter im Parlament, die sich nicht gegen eine überdimensionale Gehaltserhöhung gewehrt haben, als unglaubwürdig und undemokratisch kritisierte, da hat sich Heinz im Café genüsslich zurückgelehnt und gesagt: „Siehst Du, man muss nur ein bisschen warten können, dann kommen meine Ideen wieder auf den Tisch.“ 

Gemeinsam mit seinem Freund Kurt Köpruner hat der liebe Heinz seinerzeit für die rote Fraktion der Gewerkschaft ein periodisches Flugblatt mit dem Titel „Wussten Sie, dass…“ aus der Taufe gehoben, das auf Anhieb in allen Lagern für großes Aufsehen sorgte. Es hat viel Satire, aber auch knallharte Argumente enthalten. Es ist das einzige politische Flugblatt, das ich kenne, das Kult-Charakter erlangt hat und heute von Sammlern sehr gesucht ist. Wir können uns nur noch annähernd vorstellen, mit welcher Lust und Freude die beiden Freunde an jeder Nummer ihres satirischen Flugblattes gearbeitet und getüftelt haben. Das war die Welt des Heinz Starchl: harte Fakten aus der Arbeitswelt, vereint mit höchster Formulierungskunst. Und immer auf der Suche nach mehr Gerechtigkeit.

Der harte Alltag in seinem Arbeitsleben war aber nicht die Politik, sondern die äußerst erfolgreiche Tätigkeit als Konsumentenschützer in der Arbeiterkammer. Aus der kleinen Abteilung Haselwanters mit der jährlichen Schüblings-Überprüfung wurde eine Top-Einrichtung der Kammer zum Schutze der Konsumenten, wie sie es heute noch ist. Ich erinnere mich noch gerne an die wöchentlichen Kommentare von Heinz im Rundfunk, in denen er die Konsumenten über ihre Rechte aufgeklärt hat. Das hat es bis dahin nicht gegeben. Heinz hatte die Handelsschule besucht und sich sein juristisches Wissen durch die Praxis angeeignet. Das Jusstudium wäre für ihn ein Spaziergang gewesen. Im Jahre 1986 hat er, weil sich gerade die Gelegenheit ergab, bei einem Aufnahmetest für Nicht-Maturanten teilgenommen. Von 400 Kandidaten zählte er zu den 35 Besten, denen die Chance zum Studium gegeben wurde. Er hat einige große Prüfungen abgelegt, aber immer erklärt, dass ihn die Juristerei als Beruf auch in Zukunft nicht interessiere. Seine Begabungen waren so vielseitig und überall wurde er eingespannt. Er konnte nicht Nein sagen. Einmal hat er so nebenbei gestanden, dass manch zündende Landtagsrede während seiner Kammerzeit aus seiner Feder stammte. 

Der Erfolg kann auch zu groß werden. Nach zwanzig Jahren in der Arbeiterkammer hat er seinen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben. „Prinzipiell hat mir die Aufgabe auch gefallen“, hat er damals der Presse mitgeteilt. „Was gibt es Befriedigenderes, als Leuten helfen zu können. 30 Anrufe jede Stunde und dazu -zig Besucher, die nur mit dem Heinz reden wollten, waren gegen Ende keine Seltenheit.“ Der Stress wurde unerträglich und sein Abschied verständlich. Er versuchte, neue Erfahrungen zu sammeln und als Unternehmer Fuß zu fassen. Aber es ist im Wesen des Versuches, dass nicht jeder gelingt. Heinz hat sich in der Folge mit seiner Partnerin Bernadette in Dornbirn niedergelassen und es ist ihm gelungen, sich noch einmal völlig neu zu erfinden.

Sein Motto, mehr Gerechtigkeit schon auf dieser Welt zu schaffen, hat ihn nicht losgelassen. Immer wieder hat er von einer Einrichtung gesprochen, in der man benachteiligten Kindern durch gezielte Nachhilfe ihre Bildungschancen verbessern sollte. Er hat hin- und her überlegt und sich gemeinsam mit Bernadette beraten. Ich habe das anfangs für eine schwierig durchführbare Träumerei mit vielen Hürden für eine Privatperson gehalten, aber am Ende entwickelte sich die Idee von einer professionellen Schülernachhilfe zu einem grandiosen persönlichen Erfolg für Heinz und Bernadette. Schon früh stieß die Landtagskollegin Hanni Langanger zum Kernteam des Schüler-Clubs, wo sie noch heute ehrenamtlich mitarbeitet, und die drei schreiben seit über einem Jahrzehnt mit Unterstützung weiterer Helfer eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Gerade eben noch hat Heinz einigen Oberstufen-Schülern, denen ein Sitzenbleiben drohte, durch Nachhilfe auch in den Ferien ein erfolgreiches Aufsteigen ermöglicht. Jeder einzelne Fall war für Heinz ein persönliches Erfolgserlebnis, das ihm und seinem Team guttat. Seine Schüler werden sich noch nach Jahrzehnten dankbar an ihn und seinen persönlichen Einsatz erinnern.  Ich selbst konnte miterleben, wie Kinder des Schüler-Clubs durch ihn lebenswichtige Weichenstellungen in ihrer Bildungslaufbahn erfahren durften.

Mit den eigenen Kindern hatte Heinz diese Sorgen nicht. Ganz im Gegenteil. Die schulische und berufliche Ausbildung seiner drei Söhne bereiteten ihm große Freude und erfüllten ihn zeitlebens mit großem Stolz. Sie machten ihm das Leben leichter.

Das Leben schreibt manchmal überraschende Geschichten. Mitten in der Zeit der Corona-Pandemie haben Bernadette und Heinz beschlossen, zu heiraten. Es war eine große Auszeichnung für meine Landtagskollegin Hanni Langanger und mich, dass wir zwei als Trauzeugen ausersehen wurden. Wir trafen alle Vorbereitungen, da kam die Nachricht, dass während der Pandemie nur zwei Personen das Standesamt betreten dürfen. Nachdem das Brautpaar aus zwei Personen bestand, war für die Trauzeugen und die Angehörigen keine Möglichkeit des Zutritts mehr gegeben. Uns war aber auch ohne unsere Zeugenschaft klar, dass Bernadette für Heinz das große Glück bedeutet hat.

Heinz Starchls Beziehung zur sozialdemokratischen Partei war hingegen immer ein bisschen kompliziert. Mal hat er gelitten, mal hat die Partei gelitten. Der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“ erzählte er einmal: „Als 18jähriger war ich an jenem historischen Märztag des Jahres 1966 zufällig im SPÖ-Lokal in Bludenz, als die Volkspartei unter Josef Klaus die absolute Mehrheit erreichte. Die Stimmung war so weinerlich,“ sagte er, „da habe ich die Genossen durch meinen Beitritt getröstet.“ Bei dieser Aussage stand dem lieben Heinz wohl wieder einmal der Schalk im Nacken, denn vier Jahre später hat er eifrig mitgeholfen, dass Bruno Kreisky österreichischer Bundeskanzler wurde. Der Sohn des Bundeskanzlers, nämlich Peter Kreisky, war ein sehr guter Freund von Heinz, und wenn man den Peter Kreisky in seinem Büro in Wien in der Arbeiterkammer aufgesucht hat, war seine erste Frage immer: „Servus, wie geht’s dem Heinz?“ Da war es schon verständlich, dass der gute Heinz aufgrund dieser Freundschaft mitunter mehr für Peter Kreisky als für Bruno Kreisky eintrat. Es ging ihm immer mehr um Ideen und nicht um Parteien.

Auch in meiner Zeit als Landesvorsitzender der SPÖ gab es eine glasklare Arbeitsteilung: Ich war Vorsitzender und er war mein Kritiker. Das musste kommen wie das Amen im Gebet. Es konnte aber unsere Freundschaft nicht verhindern. Zur guten Freundschaft gehörte eben für mich und für Heinz auch immer die Bereitschaft, schonungslose Kritik zur Kenntnis zu nehmen. Sie musste nicht immer stimmen, aber sie musste ausgesprochen werden. Es ist ein Jammer, dass seine kritische Stimme zu grundsätzlichen politischen Fragen so plötzlich verstummt ist. Heinz Starchl sorgte immer wieder für schöpferische Unruhe in den politischen Gremien. Diese Erfahrung hat auch sein alter und enger Freund Bernhard Amann in einer anderen Partei gelegentlich gemacht.

 

Heinz Starchl war auch mit den Naturfreunden sehr verbunden. Er hat seinerzeit mich als Landesobmann der Naturfreunde und den Landesgeschäftsführer sehr unterstützt. Seine Erfahrung bei der Anwendung digitaler Auftritte sind für den Verein unbezahlbar gewesen. Er hat außerdem wunderbare Artikel über die Geschichte und Kultur unseres Landes nach den neuesten Forschungsergebnissen verfasst und für die Naturfreunde ins Internet gestellt. Von Historikern und Journalisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum habe ich immer wieder höchstes Lob für diese Artikel bekommen. Ich wollte mich nicht mit fremden Federn schmücken und musste immer wieder erklären, dass diese hervorragenden Artikel leider nicht von mir, sondern von Heinz Starchl stammen. Die Naturfreunde Vorarlberg haben ihm für sein Engagement für den Schüler-Club im Jahre 2018 das Goldene Ehrenzeichen überreicht. Heute danken sie Heinz für seine langjährige Unterstützung.

 

Wir nehmen heute Abschied von einem vielseitig begabten Menschen. Mit Heinz konnte man über Gott und die Welt reden. Eigentlich mehr über die Welt und weniger über Gott. Ich habe dennoch einen Vers gefunden, der wunderbar auf das Leben von Heinz passt.  Mit Jesaias 38/12 können wir über den großen Meister sagen: „Wie ein Weber hast du sein Leben zu Ende gewoben. Du schneidest es ab wie ein fertig gewordenes Tuch.“ An der Leuchtkraft der Farben dieses fertig gewebten Tuches, den Farben des Lebens von Heinz, werden wir uns noch lange erfreuen können. Lieber Heinz, Du bist und bleibst ein Phänomen. Und wenn ich in Zukunft an Dich denke, dann kann ich nicht anders, dann stelle ich mir immer vor, wie Du gerade schallend lachst.

 

 

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