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Klettergenuss am Wilden Kaiser

Das Klettern am Wilden Kaiser im nordöstlichen Tiroler Unterland hat eine lange Tradition. In den letzten Jahren wurde hier eine Reihe schöner mittelschwerer Routen eingerichtet, die es auszuprobieren gilt!

 

An den schroffen Kalkfelsen des Wilden Kaisers haben schon berühmte Bergsteigergrößen wie Hermann Buhl, die in Kufstein beheimateten Aschenbrenner-Brüder und Reinhard Karl ihre Marksteine gesetzt. Reinhard Karl kletterte mit den „Pumprissen“ eine der ersten Touren im 7. Grad, und Stefan Glowacz punktete mit „Des Kaisers neue Kleider“ am oberen Ende der Schwierigkeitsskala. Wer aber glaubt, nur harte Alpinhämmer im Kaiser anzutreffen, irrt: In den letzten Jahren sind vor allem schöne mittelschwere Genussklettereien entstanden.

 

 

Die sonnige Südseite des Kaisers

Beginnen wir unsere Kaiser-Durchquerung an der sonnigen Südseite, an der man bis in den Spätherbst an tollen rauen Platten diverse Touren antesten kann. Oberhalb von Scheffau hat sich im Kessel zwischen Treffauer und Kopfkraxen ein alpiner Sportkletterspot mit einer großen Auswahl an meist gut abgesicherten Mehrseillängentouren entwickelt. Ausgehend vom Gasthof Jägerwirt wandert man gemütlich an der Wegscheidalm vorbei zu einem kleinen Wasserfall. Von dort geht es über eine kurze Stufe hinauf in das Schneekar, in dem man sich entscheiden muss, zu welcher Route man vorstoßen will.

 

König der Löwen

Klettererinnen und Kletterer, die bereits Erfahrungen im Klettergarten gesammelt haben, sei die „König der Löwen“ ans Herz gelegt. Eine wirklich sehr schöne und gut gemachte Plaisirtour, an deren Einstieg von den Erstbegehern ein kleiner Plüsch-Löwe zurückgelassen wurde. Die Disney-Tour gehört mittlerweile zu den beliebtesten Bohrhakentouren im Kaiser-Gebirge. Die Zutaten für ihren Erfolg sind sehr viele Bohrhaken, das relativ kletterfreundliche Gelände und der niedrige Schwierigkeitsgrad.

An tollen Wasserrillen steigt man zwei Seillängen empor zur Schlüsselstelle 5/5+, die man aber rechts im vierten Grad umgehen kann. Danach klettert man noch vier weitere Kletterlängen zum Ausstieg und steigt dann auf der Latschenterrasse des Treffauers aus der Tour. Nach wenigen Schritten gelangt man zum Normalweg, dem man entweder zurück zum Ausgangspunkt oder bei genügend Zeit bis hinauf zum Gipfel folgt.

Routeninfo: 6,75 Std./5+ (4+ obl.)/280 m

 

Opa Highway

Wer die Löwen-Prüfung bestanden hat, kann sich beim zweiten Besuch einer etwas längeren Tour widmen. Der „Opa Highway“ ist ein neuer Genussklassiker an der Südwand der Kopfkraxen, der sehr viel Spaß macht. Diese schöne, 12 Seillängen lange Route wurde vom Tiroler Bergführer Herbert Haselsberger und seinem Gefährten Hans Zott eingerichtet.

Die Tour schlängelt sich entlang eines Pfeilers im linken Teil der Südwand empor. Das luftige Finale bildet eine tolle Rissverschneidung, die nach oben hin immer schwerer wird. Kurz vor dem rettenden Standplatz wird die Sache immer glatter, und man kämpft sich - immer gut mit Bohrhaken gesichert - die letzten Seillängenmeter hinauf. Es folgen im Anschluss noch drei weitere sehr gute Seillängen bis zum Ausstieg auf der steilen Gipfelwiese.

Routeninfo: 8 Std./6+ (6- obl.)/400 m

 

 

Nordwandflair oberhalb von Kufstein

Im Hochsommer sucht man nach kühleren Plätzen, wo man die steilen Kaiser-Zacken ohne Schweißränder genießen kann. Seit Kurzem gibt es eine neue und recht lange Nordwandroute am Scheffauer, hoch oberhalb der Festungsstadt Kufstein. Entweder bringt man die ersten Höhenmeter mit dem Kaiserlift hinter sich oder man fährt mit dem Mountainbike ca. zwei Stunden bis zu den sanften Almwiesen an der Kaindlhütte. Unmittelbar hinter der Hütte baut sich das mächtige Bollwerk des westlichen Wilden Kaisers auf, und schon bald steht man im Schatten der hohen Felswände des Scheffauers.

 

Nordwandliebe

Der Einstieg der Route „Nordwandliebe“ ist eigentlich recht einfach zu finden: Die Erstbegeher haben auf den Felsen zur Markierung ein rotes Herz gemalt.

Diese Route ist mit 620 Klettermetern doch recht lang. Der untere fünfte Grad wird allerdings nur in zwei Seillängen erreicht. Dennoch ist die Route als kleines Nordwandabenteuer einzustufen. Sie ist zwar mit Bohrhaken gut abgesichert, doch sind die kleinen Stahlösen an dem gefleckten Kalkfels nicht immer leicht auszumachen. So kann es schon einmal vorkommen, dass man etwas länger für die Orientierung braucht, um keinen der rettenden Fixpunkte zu übersehen.

 

Irgendwie bezwingt man diese Wand dann aber doch und klettert oben - direkt neben der wilden Leuchsschlucht - auf den Gipfelgrat und kann von dort aus das tolle Panorama mit dem weit unten in Scheffau liegenden blauen Hintersteiner See und dem weiten Inntal genießen. Auf dem Weg zum Gipfel ist als kleine Fleißaufgabe noch der sogenannte Schaffler-Sprung (3-) zu bewältigen - ein kleiner, aber ausgesetzter Spalt trennt den Bergsteiger kurz vor dem Kreuz noch vom Gipfelglück.

Routeninfo: 10,5 Std./5-/620 m

 

Im Kaisertal

Ist die Liebe zur Nordwand etwas abgeflaut, kann man noch - wenn man schon einmal in Kufstein ist - dem schönen Kaisertal einen Besuch abstatten. Dieses geschichtsträchtige Tal war lange von der Außenwelt abgeschnitten, da es keine Straße hinauf in das Hochtal mit seinen schönen alten Bauernhöfen gab. Die BewohnerInnen mussten vom Stadtgebiet aus über den Kaiseraufstieg - das sind ca. 280 Stufen - immer auf- und absteigen. Es wurde alles über die Stufen hinaufgetragen bzw. mit der kleinen Materialseilbahn geliefert. Daher war es für zahlreiche Wandernde doch meist sehr überraschend, dass sie auf den Forststraßen im Hochtal auf Autos trafen. Da es keinen Anschluss an das Straßennetz gab, mussten die Fahrzeuge auch keine Kennzeichen haben - es war wie im Wilden Westen.

Obwohl es seit 2008 einen befahrbaren Tunnel gibt, müssen Kletterinnen und Kletterer immer noch die Stufenstrecke aufsteigen. Nach ca. 2,5 Stunden Fußmarsch erreicht man den Ausgangspunkt für die nächste Genussklettertour.

 

Ganz hinten im Tal steht das von Silvia Huber liebevoll geführte Hans-Berger-Haus der Naturfreunde (siehe auch Seite 22), die Heimstätte der Wilden Kaiserinnen (Frauen-Bergprogramm) und von Literaturbegeisterten (Gipfel-Bibliothek) - aber vor allem der ideale Ausgangspunkt für Klettertouren im Kaisertal. Schon hinter der neu renovierten Hütte ragen die steilen Wände der berühmtesten Kaisergipfel in den Himmel.

 

Klettergeheimnis

Das gemütliche Hans-Berger-Haus war auch Ausgangspunkt der Erkundungstouren der Erstbegeher um Peter Hundegger. Diese Gruppe machte sich auf, um ein Geheimnis zu finden, und fand schlussendlich das „Klettergeheimnis“ an der Westwand der Kleinen Halt: fast 20 Seillängen Klettergenuss der Extraklasse!

Nicht einmal eine Stunde Fußmarsch sind bis zum plattigen Wandfuß an der Kleinen Halt zurückzulegen. Die Route „Klettergeheimnis“ bietet nicht nur einen kurzen Zustieg, sondern vor allem 600 Klettermeter an schönem, meist glatten Kalkfels fast bis zum Gipfelkreuz. Der Anstieg ist gut mit Bohrhaken ausgestattet. Etwas Erfahrung und Gespür für die richtige Linie sollte man aber doch mitbringen, um die Route vor allem im leichten Gelände nicht zu verlieren.

 

Im unteren Teil klettert man zum Teil an recht glatten Platten, im mittleren Abschnitt kommt ein Schrofenteil (dort kann man die Tour abbrechen und zum Steig ausqueren) und oben folgen wieder Platten, an denen auch die Schlüsselstelle zu finden ist. Hat man es bis zum höchsten Punkt geschafft, steigt man auf dem Kaiserschützensteig in die Schärlinger Böden ab und gelangt von dort zurück auf den Wanderweg, der zum Hans-Berger-Haus führt.

Routeninfo: 9 Std./4+/600 m

 

 

Immer ein schöner Gesamteindruck

Ganz egal, ob man im langen Kaisertal oder am westlichen Ende der Kaiserfelsen sein Kletterglück versucht - es bleibt immer ein schöner Gesamteindruck zurück! Obwohl die höchsten Gipfel nur etwas über die 2000er-Marke hinausragen, hat man irgendwie das Gefühl, inmitten der Alpen zu stehen, reiht sich doch ein Felsgipfel an den anderen. Es ist die einzigartige Mischung aus steilen Felsgipfeln und der umliegenden Hügellandschaft, die diesen Gebirgszug so eindrucksvoll macht.

 

 

Text und Fotos: Axel Jentzsch-Rabl, Buchautor beim Alpinverlag und Betreiber von www.bergsteigen.com

Weitere Informationen

 

 

Hans-Berger-Haus

 

Im idyllischen Kaisertal steht auf 936 m das Hans-Berger-Haus der Naturfreunde Kufstein. Beliebt und bekannt ist die Hütte vor allem wegen ihrer Bergsteigerschule und der Kochkünste der Hüttenwirtin Silvia Huber (siehe auch Seite 22).

Traumhafte Wanderwege und anspruchsvolle Klettertouren machen das Hans-Berger-Haus zu einem beliebten Treffpunkt für Bergfreundinnen und -freunde aus aller Welt. Auch Kinder kommen hier auf ihre Kosten, denn Spielplatz und Indoor-Boulderhalle garantieren Spaß und Abenteuer.

Eine Besonderheit des Hans-Berger-Hauses ist die „Erste Gipfelbibliothek der Welt“. Die Bücher bleiben zum Teil in der Hütte, teils werden sie von Bergsteigerinnen und Bergsteigern zu anderen Gipfeln getragen. So „bereisen“ die Werke die ganze Welt.

Die Hütte ist von Anfang Mai bis Mitte Oktober täglich geöffnet und bietet ganztägig warme Küche.

 

Kontakt:

Silvia Huber,

Tel.: 0 53 72/625 75, 0676/580 20 00,

E-Mail: info@bergsteigerschule.at,

www.bergsteigerschule.at

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