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Gämsen und Steinböcke - das richtige Verhalten in den Bergen

Wer in den Bergen unterwegs ist, betritt auch das Wohnzimmer von Gämsen und Steinböcken, der Charakterarten unserer Alpen. Damit das Miteinander funktioniert, gilt es, ein paar Regeln zu beherzigen.

 

Text und Fotos: Christine Sonvilla

 

Die Alpen wären ohne ihre charakteristische Tierwelt nicht komplett, allen voran die Kletterkünstler der Berge Gämsen und Steinböcke. Geschätzte 180.000 Alpengämsen halten sich im Frühling und Sommer auf den alpinen Wiesen Österreichs in über 1800 Metern Seehöhe auf. Eine sichere Felszuflucht ist für den Fall, dass Gefahr droht, nie weit entfernt. Die Alpensteinböcke konnten sich einst nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden sie fast zur Gänze ausgerottet, bis auf rund hundert Tiere, die im italienischen Gran-Paradiso-Gebiet überlebten. Von diesem Restbestand ausgehend, startete in den 1920er-Jahren ihre Wiederansiedlung. Heute leben rund 45.000 Tiere an mehr als hundert Plätzen in den Alpen, allein in Österreich sind es an die 4500 der großen Hornträger. Das bietet reichlich Potenzial für tierische Begegnungen.

 

Durch Bautätigkeit, Infrastruktur und die Freizeitaktivitäten der Menschen wird der Lebensraum dieser beiden Emblemtiere der Alpen jedoch kleiner. Hinzu kommt die Klimaerwärmung, die u. a. ihrem Immunsystem zusetzt und ihre Nahrungsgrundlage nachteilig beeinflusst. Um Gams und Steinbock nicht auch noch durch unbedachtes Verhalten in Bedrängnis zu bringen, sollte man

ein paar Regeln einhalten.

 

 

Auf den Wegen bleiben

Die wichtigste Devise lautet schlicht und ergreifend: Auf den Wegen bleiben! Egal, ob man wandert, klettert oder radelt. Es sollten immer die vorgegebenen Routen genutzt werden. Wildtiere stellen sich darauf ein und können gut damit umgehen, wenn Menschen auf vorhersehbare Weise auftauchen. Wer dagegen querfeldein marschiert, riskiert Gams- und Steinwild aufzuschrecken und zur Flucht zu zwingen. Jede Störung führt zu einem erhöhten Energieverbrauch und Stresslevel. Das wirkt sich negativ auf das Sozialverhalten der Tiere aus und beeinflusst auch ihre Überlebensfähigkeit. Vor allem im Winter kann das kritisch sein.

 

 

Umsichtig unterwegs sein

Genauso entscheidend ist die Art und Weise, wie sich Erholungsuchende und Outdoorsportler*innen in der Natur bewegen. Statt nur stur geradeaus unterwegs zu sein, alles ringsherum auszublenden oder gar Kopfhörer zu tragen, sollten die Sinne wach sein, Augen und Ohren gespitzt, um mit der Bergwelt und ihren Bewohnern interagieren zu können. So lassen sich etwa Warnrufe von Wildtieren, denen man versehentlich zu nahe kommt, frühzeitig wahrnehmen.

 

Bei den Gämsen leben die Geißen mit ihren Kitzen in Herden von 15 bis 30 Tieren. Wächterinnen warnen vor Gefahr, indem sie mit ihren Hufen stampfen und zischende Pfiffe abgeben. Auch Steinböcke nutzen pfeifende und schnaubende Warnlaute, um auf sich aufmerksam zu machen. Hört man solche Laute, heißt es stehen bleiben, sich umsehen und vielleicht einen kleinen Umweg machen, um den Tieren genügend Raum zu lassen. Mit Umsicht in der Natur unterwegs zu sein bedeutet auch, die Ruhezeiten der Tiere zu respektieren und – wenn es sich vermeiden lässt – nicht mitten in der Nacht mit stark leuchtenden Lampen durchs Zuhause der Tiere zu laufen.

 

 

Tiere niemals in die Enge treiben

Viele Menschen freuen sich über Begegnungen mit Wildtieren und versuchen, sich ihnen für bessere Beobachtungsmöglichkeiten zu nähern. Solange man genügend Abstand hält und auf die Reaktionen der Tiere achtet, ist dagegen nichts einzuwenden. Wichtig ist jedoch, Gams, Steinbock und Co. niemals wissentlich in die Enge zu treiben! Diese Grundregel des artübergreifenden Miteinanders dient auch dem Selbstschutz. Viele Wildtiere reagieren mit Flucht, wenn sie sich bedroht fühlen, manche gehen aber auch in die Offensive. Steinböcke haben dafür gute Argumente. Die Männchen bringen es auf ein Gewicht von über 100 Kilo, und ihre mächtigen Hörner können bis zu einem Meter lang werden. Dann wiegen diese allein etwa zehn Kilo. Damit möchte sich ein Wanderer nicht messen.

 

 

Ungeplante Treffen und richtiges Vorbeigehen

Selbst wenn man alle Regeln des Miteinanders in den Bergen berücksichtigt, lassen sich ungeplante Aufeinandertreffen von Mensch und Wildtier nie ganz ausschließen. Was tun in einer solchen Situation? Die beste Reaktion ist stehen zu bleiben, sich langsam zurückzuziehen und einen großen Bogen zu machen, um den Tieren den nötigen Freiraum zu geben. Dabei gilt es zu beachten, dass sich Steinböcke und insbesondere Gämsen sicherer fühlen, wenn man sich im Gelände unterhalb von ihnen vorbeibewegt. Sie mögen es nicht, wenn jemand auf sie herabblickt.

Folder „Weidetiere auf Almen“

Um gefährliche Situationen zu vermeiden, sollte man auch auf einer Wanderung über Almen mit Viehhaltung gewisse Verhaltensregeln beachten. Im Naturfreunde-Folder „Weidetiere auf Almen - Tipps für das richtige Verhalten beim Wandern“ wird in kompakter Form erläutert, was zu tun ist, wenn man auf Rinder, Schafe, Ziegen oder Pferde trifft.

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