www.naturfreunde.at

Skitouren in den Niederen Tauern

Böse Zungen behaupten, in den Niederen Tauern gäbe es nur zwei Arten von Skitourenbedingungen: Lawinenwarnstufe 4 und Bruchharsch. Aber wie so oft im Leben liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Im vorliegenden Fall zwischen den dicht bestockten Hängen von Ingering, Gaal und den anderen Gräben, die sich von Knittelfeld ausgehend zaghaft Richtung Alpenhauptkamm vortasten.

Man kann es sich fast gar nicht mehr vorstellen: Vor nicht allzu vielen Jahren, als das Skitourengehen noch ein belächeltes Hobby von ein paar exzentrischen Nordwandgesichtern und noch keine Lieblingsfreizeitbeschäftigung von ostösterreichischen Stadtindianerinnen/-indianern mit einer Schwäche für geschmacklose Gore-Tex-Klamotten war, galt der Seckauer Zinken über seine Südrinne noch als eine der viel begangenen Touren der Steiermark. Ganze Prozessionen zogen Frühjahr für Frühjahr mit unzureichender Ausrüstung und großer Leidensfähigkeit über die schweißtreibenden 1500 Höhenmeter und den endlosen, dicht bewaldeten Zinkengraben zum Gipfel, um dort, in Vorfreude auf die legendäre Firnabfahrt in der Südrinne, in der Sonne zu braten.

 

Total aus der Mode

Heute boomt das Skitourengehen, und das sonntagmorgendliche Verkehrsaufkommen in so manchem steirischen Ohrwaschlgraben stellt selbst Neu-Delhi zur Rushhour in den Schatten. Vergleichsweise still geworden ist es am Zinken und in den Bergen der Umgebung. Schuld daran ist in erster Linie ein durchaus nachvollziehbarer Generations- und Paradigmenwechsel in der TourengeherInnen-Gemeinde: Heute werden Skitouren nicht mehr wie früher üblich in Millilitern Blut, Schweiß und Tränen abgerechnet, sondern in der einfachen Formel „Laufmeter Pulverschnee im Verhältnis zu gefahrenen Autobahnkilometern, dividiert durch die Zeit, die man benötigt, um sich durch die unvermeidliche Waldstufe (auch bekannt als Fichtendschungel) zu wühlen“.

 

Diese Rechnung schaut für die Seckauer Tauern ganz übel aus. Na gut, die Anfahrt wäre noch erträglich. Aber dann: der viele Wald. Die langen Gräben. Der miese Schnee (Stufe 4 oder Bruchharsch, wir erinnern uns …). Und die meistens bis zum äußeren Erdmantel geräumten, dafür aber ganz draußen schon gesperrten Forststraßen. Kurz: Die Seckauer sind, aus gutem Grund und im besten Sinne, total aus der Mode gekommen.

Das Schöne daran: stille Gipfel, einsame Täler, ein authentisches Naturerlebnis fernab von Skihütten-Gejohle und Event-Wahnsinn. Und jene gewisse Ernsthaftigkeit, die man nur abseits der heute gebräuchlichen Funsport-Loipen antreffen kann. Auf Touren, die man zuerst eigenverantwortlich gesucht, gefunden und selber eingespurt hat, meist ohne sich auf Spuren von Vorgängern verlassen zu können. Und daran wird nicht einmal dieser Artikel etwas ändern.

 

Für AnfängerInnen: Rosenkogel

Hat hier irgendjemand Hotspot gesagt? Wenn es in den Bergen der Gaal so etwas wie einen einigermaßen userfreundlichen Skitourenberg für die Generation Primaloft-Rockerl gibt, ist es eindeutig der unverwüstliche Rosenkogel (1918 m): ein absolut anfängertauglicher Allwetterberg mit allerhand Ausnahme-Features wie großem Parkplatz und wenigen Höhenmetern. Auf der Normalroute ist er völlig unkritisch in Bezug auf Lawinen und je nach Varianten und Schneeverhältnissen hat man eine annehmbare Abfahrt ohne viel Fichtenslalom. Demensprechend groß ist auch die Anzahl der BewerberInnen. Ein paar Lücken in der vom Parkplatz bis zum Gipfel durchgehenden Schlange lassen sich aber selbst an Wochenenden finden.

 

Ausgangspunkt: Parkplatz Rossbach, Hintere Gaal, 1254 m

Schwierigkeit: o

Toureninfo: 2-3 Std./664 Hm ↑

Beste Zeit: ganzer Winter

 

 

Für AufsteigerInnen: Speikleitenberg

Die Tour auf den Speikleitenberg (2124 m) vereint einige der beliebtesten Vorurteile gegen das Skitourengehen unserer Breiten: viel Schweiß, ein sehr langer Grabenhatscher, eine steile Latschenstufe und ein recht kurzer Gipfelhang. Und trotzdem gibt es eingefleischte Fans, die jedes Jahr wiederkommen. Denn dort, wo es am Speikleitenberg beginnt, eine richtige Skitour zu sein (wenn man im Kneislboden die Forststraße endgültig verlässt), ist es nämlich eine besonders schöne. Landschaftlich sowieso. Und bei guten Bedingungen sind sowohl die Südabfahrt (über den Aufstiegsweg) als auch die knackige Nordrinne in Richtung Ingeringtal ein einsamer Tourentraum.

 

Ausgangspunkt: Parkplatz Hintertal, Hintere Gaal, 1173 m

Schwierigkeit: oo

Toureninfo: 4-5 Std./950 Hm ↑

Beste Zeit: Hochwinter (Ist die Gaalgraben-Forststraße aper, ist es mit der Speikleiten-Saison vorbei.)

 

 

Für Unentwegte: Geierhaupt

Bis zur Zusammenlegung von Knittelfeld und Judenburg zum Bezirk Murtal (übrigens ausgerechnet an der einzigen Stelle in der Obersteiermark, wo die Mur durch kein Tal, sondern durch ein weites Becken fließt), war das Geierhaupt (2417 m) der höchste Punkt des Bezirks Knittelfeld. Höher hinaus geht’s hier also nicht. Und viel weiter auch nicht: Der Anstieg aus dem Ingeringgraben ist schon vom Parkplatz Ingeringsee einigermaßen langwierig. Meistens muss man aber vom Parkplatz Pletzen, gleich am Ende der Asphaltstraße, starten. Belohnt wird man nach Absolvierung des etwa zweieinhalbstündigen Forststraßen-Präludiums mit einer eindrucksvollen Tour durch eine einsame, ideal geneigte, hindernislose 700-Höhenmeter-Flanke auf einen luftigen Gipfel mit toller Aussicht. Und mit Abfahrten, die anderswo wohl Anlass für einen veritablen Skitourenboom wären.

 

Ausgangspunkt: möglichst weit hinten in der Ingering, meistens der Parkplatz Pletzen (1100 m) oder Hochreichart (1160 m)

Schwierigkeit: oo bis ooo

Toureninfo: 5-7 Std./ca. 1300 Hm ↑

Beste Zeit: Hochwinter bis Frühjahr

 

Text: Ulf Edlinger, Fotos: Martin und Ulf Edlinger

Weitere Informationen

Kontakt

ANZEIGE
Angebotssuche