www.naturfreunde.at

Von der Steppe zum Großglockner

Im Herbst 2017 unternahm der Extremalpinist und Abenteurer Hans Goger eine ganz besondere Weitwanderung. Sie begann am tiefsten Punkt Österreichs in Apetlon und endete am höchsten Punkt des Landes: am Großglockner. Trotz verschiedenster Wetterunbilden gelang Goger diese heimische „Expedition“. Er legte an die 700 Kilometer zurück und war rund einen Monat lang unterwegs. Für den „Naturfreund“ hat er zusammengefasst, wie es ihm dabei ergangen ist.

Nachdem ich die letzten Jahrzehnte meines aufregenden Alpinistenlebens fast ausschließlich in den Bergen anderer Länder sowie in Alaska und Lappland verbracht hatte und mir die 8000er des Himalaya fast bekannter waren als die Gipfel der Heimat, beschloss ich, im Herbst 2017 einmal etwas ganz anders zu machen. Ich plante einen Fußmarsch, der mich in einem Monat vom tiefsten Punkt Österreichs zur höchsten Erhebung führen sollte: von Apetlon (114 m) am Neusiedler See auf den Großglockner (3798 m).

 

Die Tour hatte es – gelinde gesagt – in sich und war wesentlich aufwendiger als gedacht. Schon die Überquerung des Neusiedler Sees war ein ziemlich gefährliches Unternehmen, da ich mitten auf dem See in ein Gewitter geriet. Sturm kam auf, die Wellen wurden höher und höher, und zu guter Letzt musste ich mit meinem Kajak im Schilf Schutz suchen. Damit hatte ich nicht gerechnet! Froh, heil davongekommen zu sein, verbrachte ich den nächsten Tag wesentlich unspektakulärer, denn die Etappe von Mörbisch bis Mönichkirchen legte ich mit dem Mountainbike zurück; dann begann der Fußmarsch.

 

Zum Buchsteinhaus

Über den Hochwechsel ging es zunächst auf das Stuhleck, und vorbei an einem ganzen Wald von Windrädern erreichte ich bei brütender Hitze die liebliche Waldheimat des Peter Rosegger. Diese Region ist der wunderschöne Übergang von den flachen Erhebungen des niederösterreichisch-steirischen Grenzlandes hin zu den ersten richtigen Gipfeln im Hochschwab-Massiv. Als ich beim Alpengasthof Bodenbauer eintraf, stiegen jedoch Wolkentürme auf, die mich von nun an bis zum Präbichl begleiteten und mit reichlich Regen versorgten. Sackwiesensee, Ebenstein, Frauenmauer - all diese Zwischenziele sah ich nur durch einen dichten Schleier aus Nebel und Regen. Am Eisenerzer Reichenstein musste ich im Schutzhaus einen Ruhetag einlegen, da die Temperaturen stark fielen und der Nieselregen zu einer zentimeterdicken Eisschicht erstarrte. Und das Anfang September! Doch dann riss es auf, und der Sommer kehrte zurück. Über das Gesäuse wanderte ich zum Buchsteinhaus der Naturfreunde (www.buchsteinhaus.naturfreunde.at) und genoss wieder einmal eine warme Dusche und ein köstliches Abendessen. Mein Freund und Hüttenwirt Tschitschi wusste von den Strapazen meiner Tour und servierte mir ein wahres Gourmetdinner.

 

Die Heimat erkunden

Im Toten Gebirge holte mich das nächste Tiefdruckgebiet ein; bis zu den Niederen Tauern hielt das Schlechtwetter an - mit einer dankenswerten Unterbrechung: Bei der Besteigung des Dachsteins hatte ich Prachtwetter!

 

Eine weitere regenschwangere Wolkenfront kündigte sich von Süden her an. Diese verfolgte mich von der Ursprungalm bis zur Südwiener Hütte und brachte auch den ersten Schnee. Am Giglachsee fand ich beim urigen Bergführer Helfried Sieder und seiner netten Frau eine warme Unterkunft, die ich aufgrund des strömenden Regens gleich mehrere Tage lang nutzte.

 

Nach der Südwiener Hütte gab es eine längere Phase mit viel Sonne. Ich ging über herrliche Almen und durch eine mir bislang noch unbekannte Landschaft. Aus diesem Grund war ich ja aufgebrochen! Ich wollte meine Heimat erkunden. Vergnügt spazierte ich durch eine fantastische Bergwelt und bewunderte den Tappenkarsee sowie die schönen Täler von Großarl und Gastein. Schließlich erreichte ich die Hohen Tauern, mein Ziel kam näher.

 

Kurz vor der nächsten Schlechtwetterfront langte ich im Naturfreunde-Haus Kolm-Saigurn (www.sonnblickbasis.at) ein. Hüttenwirt Hermann Maislinger ist schon seit vielen Jahren mein Freund. Er hat aus dem klobigen Steinbau im Schatten des Hohen Sonnblicks ein Juwel gemacht. Vom Naturbadeteich über einen Wasserfallweg bis hin zum Streichelzoo gibt es hier alles, was naturhungrigen Menschen einen unvergesslichen Urlaub beschert. In Kolm-Saigurn begann es zu regnen, und mit den fallenden Temperaturen setzte starker Schneefall ein. Bald lagen gute 30 Zentimeter nasser Matsch im herbstlichen Garten. Nach Abklingen dieses Wintereinbruchs machte ich mich wieder auf den Weg. Aufgrund der Schneelage und erhöhten Lawinengefahr musste ich ein paar Umwege in Kauf nehmen, aber zwei Tage später erreichte ich über das Leitertal die Salmhütte, und der frisch verschneite Großglocker leuchtete zu mir herunter.

 

Entspannter Endspurt

Im Ködnitztal traf ich vier Freunde, die mit auf den Glockner wollten. Obwohl es schon Ende September war, hatte die Erzherzog-Johann-Hütte noch zahlreiche Gäste. Wir erfuhren, dass es das letzte offene Wochenende auf der höchsten Schutzhütte Österreichs war. Glück gehabt! Am nächsten Morgen stiegen wir bestens gelaunt über das gut gespurte Glocknerleitl Richtung Kleinglockner auf. Gegen 11 Uhr stand ich schließlich stolz und zufrieden auf dem höchsten Berg meiner Heimat und freute mich darüber, im schönsten Land der Erde leben zu dürfen. Dankbar machte ich mich auf den Heimweg.

 

 

Text und Fotos: Hans Goger, österreichischer Abenteurer, Bergsteiger und Autor, www.hansgoger.com

Start war das sonnige Apetlon auf 114 m
Trotz aller Wetterkapriolen klappte schließlich auch der letzte Gipfelsturm. Jubel am verschneiten Großglockner.
BUCHTIPP

Hans Goger

Ein Leben für das Abenteuer

Alaska & Lappland

 

Hardcover, 26 x 24 cm, 304 Seiten mit ca. 250 Farbfotos, Schall-Verlag, ISBN 978-3-900533-84-7, 35 €

 

Hans Goger ist Bergsteiger, Abenteurer und Buchautor aus Passion. In diesem Band erzählt er von einer mit viel Glück und Zähigkeit überlebten Solodurchquerung Alaskas, von einer Wintertour an der Eismeerküste und von einer Schneeschuhwanderung im Norden des Denali-Nationalparks. Hans Goger führt einen von den rauen Bergwäldern Nordalaskas über die klirrend kalten Tundren am Arktischen Ozean bis hin zu den lieblichen Hochflächen Lapplands und gewährt auch einen tiefen Blick in sein Seelenleben.

ANZEIGE
Angebotssuche