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25 Jahre Nationalpark Kalkalpen

Nationalparks haben die Aufgabe, seltene Tier- und Pflanzenarten sowie Naturlandschaften zu schützen. Der vor 25 Jahren gegründete Nationalpark Kalkalpen umfasst das Sengsengebirge und das Reichraminger Hintergebirge in den Oberösterreichischen Voralpen.

Text und Fotos: Sepp Friedhuber, Naturschutzreferent der Naturfreunde Oberösterreich, Biologe

 

Auch ein Bundesland wie Oberösterreich, das noch etliche naturnahe Gebiete aufweist, braucht Flächen, auf denen die Natur ganz in Ruhe gelassen wird. In der Eisenwurzen-Region entstand auf mehr als 200 Quadratkilometern ein Nationalpark- und Erholungsgebiet von internationaler Bedeutung, das einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des österreichischen Naturerbes leistet: Der Nationalpark Kalkalpen gehört heute zu den strengsten Waldschutzgebieten Mitteleuropas mit etlichen kleinen Urwaldarealen, die Hotspots der Biodiversität sind. Viele Arten - etwa 41 Urwaldkäfer - trifft man nur mehr hier an. Vom seltenen Weißrückenspecht, einer ausgesprochenen Urwaldspechtart, gibt es in diesem Schutzgebiet noch etwa 120 Brutpaare - ein internationaler Höchstwert. Der Höhlenlaufkäfer Arctaphenops muellneri kommt weltweit überhaupt nur im Nationalpark Kalkalpen vor.

 

 

Artenreiche Waldwildnis kehrt zurück

Vor der Nationalparkwerdung hatte die Forstwirtschaft im Hinter- und Sengsengebirge eine lange Tradition. Neben Brenn- und Bauholz wurde der Wald für das Schmieden von Eisen benötigt. Die leicht erreichbaren Wäldern wurden mehrmals geschlägert, und vom 16. bis zum 19. Jahrhundert verarbeitete man Holz zu Holzkohle. Dennoch hat sich trotz der Aufforstung mit Fichten eine sehr große Palette von Waldtypen erhalten. Im Nationalpark Kalkalpen stellte man 32 verschiedene Waldtypen fest, die vielen waldgebundenen Pflanzen- und Tierarten als Lebensraum dienen.

 

Die alten Wälder sind perfekte Nahrungslieferanten für eine umfassende Tiergemeinschaft. Hier entfaltet die Natur ihre große Schönheit und Vielfalt. In dieser wunderbaren Natur erfüllt jedes Individuum, das unscheinbarste wie das größte, eine wichtige Aufgabe. Diese naturnahen Wälder gehören zu den artenreichsten heimischen Lebensräumen. Sie dürfen im Nationalpark Kalkalpen eine geheimnisvolle, wilde Welt bleiben. Da in diesen Waldoasen jede Nutzung und Gestaltung bewusst unterlassen wird, können wieder natürliche Prozesse ablaufen. Die Evolution kann hier Ungeplantes und Unvorhergesehenes entwickeln, und die Arten werden so bestmöglich auf eine unvorhersehbare Zukunft eingestellt. Speziell kostbar sind die alten Buchenwälder des Nationalparks Kalkalpen. Sie wurden 2017 zusammen mit dem Urwald Rothwald im Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal zum Weltnaturerbe deklariert.

 

Lebensräume vernetzen

Vom Nationalpark Kalkalpen profitieren die Natur und wir Menschen. In Zeiten, in denen Natur und Umwelt so unter Druck stehen, kommt dem Schutz der Lebensräume und ihrer Vernetzung größte Bedeutung zu. Die Klimaerwärmung treibt diese Problematik weiter an. Die Herausforderungen der Zukunft sind daher die Vernetzung von Schutzgebieten, die Schaffung von Naturraumkorridoren, um Arten das Wandern zu ermöglichen, und eine Weiterentwicklung des Schutzgebietsnetzwerkes.

 

 

Finanzielle Mittel fehlen

Leider gibt es bezüglich der Weiterentwicklung des Nationalparks auch schmerzliche Rückschläge. Der Betrag von 1 Mio. Euro für den Kauf der Lausserbaueralm in der Gemeinde Rosenau am Hengstpass wurde vom Land Oberösterreich nicht aufgebracht, während Abermillionen in Schigebietsprojekte investiert werden. So wanderte der Korridorbereich zum Nationalpark Gesäuse in private Hände, mit unvorhersehbaren Folgen für das Management dieser Flächen. Die gesetzlich vorgesehene Nationalparkerweiterung rückt damit in noch größere Ferne.

 

Wegen der vom Rechnungshof gerügten Nichtvalorisierung der Geldmittel von Bund und Land mussten viele Aktivitäten des Nationalparks wie die winterliche Rotwildschaufütterung mit etwa 1100 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr zurückgefahren werden. Die Infostelle und die Ausstellung „Waldmeer & Wasserschloss“ im Nationalpark-Zentrum Molln sowie das Nationalpark-WildnisCamp sind geschlossen. Auch der Luchsbestand wurde nicht aufgefrischt, somit droht dem Pinselohr aufgrund der fehlenden Reproduktion durch Inzuchtdepression das neuerliche Aussterben. Die Nationalpark-Zeitung „Vielfalt Natur“ gibt es schon länger nicht mehr, und die Zahl der Nationalpark-Mitarbeiter*innen wurde in den letzten zehn Jahren merkbar reduziert, wodurch die qualitative Erfüllung aller Nationalpark-Aufgaben kaum gelingen kann. Es scheint, dass der Nationalpark Kalkalpen für die derzeitige oberösterreichische Politik ein ungeliebtes Kind ist.

 

Uns Naturfreunden kann es nicht egal sein, dass wertvolle Naturräume zerstört und ganze Landschaften versiegelt werden. Natur- und Erholungsräume sind immer mehr bedroht. Unsere Kinder und Enkelkinder haben jedoch ein Anrecht auf Naturerlebnisse in intakten Landschaften wie im Nationalpark Kalkalpen.

 

Moosbedecktes Bachgeröll im Rettenbachtal
Blick über die herbstlich verfärbten Buchenwälder zum Sengsengebirge
Brand-Knabenkraut
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