Leise rieselt der Schnee, und langsam versinkt die Landschaft unter der winterlichen Tuchent. Inmitten der weißen Pracht beruhigt sich der Puls unserer hektischen Welt. Zeit, einen genüsslichen Wintertag zu erleben. Gemütlich durch die Landschaft gleiten, die Ruhe und den Körper spüren. Auf Loipen oder in unberührter Natur die sanfte Form des Skilaufs kennenlernen. Dafür wurden Nordic Cruising in der klassischen Loipe und die wildere Variante Backcountry erfunden.
Nordic Cruising heißt heute der Langlauf in seiner gemütlichen Ausprägung. Kein Leistungsdruck, kaum Verletzungsrisiko, keine Lawinengefahr, immer eine Spur vor den Augen. Sanftes Dahingleiten mit einem speziellen Nordic-Cruising-Ski, der kürzer und unter der Standfläche auch breiter ist. Ein spezieller Doppelkronenschliff sorgt für guten Grip bergan, eine Taillierung für besseres Steuerverhalten bei der Abfahrt. Und wer hat’s erfunden? Der Fischer in Ried im Innkreis.
Bei Nordic Cruising sind 90 Prozent der Muskulatur in Aktion, trotzdem schont man mit den runden Bewegungen seine Gelenke. Wichtig in Zeiten zerfranster Menisken und vorgefallener Bandscheiben. Wer sich fertigmachen will, kann ja am Dolomitenlauf in Lienz teilnehmen. „Total body workout“ nennt die Twitter-iPod-Google-Generation das.
Der 50-plus-Genießer bleibt auf der Loipe und sucht je nach Laune und Vorliebe waldiges Hügelgebiet im Wald- oder Mühlviertel auf oder begibt sich in höhere Regionen, um der winterlichen Fernsicht zu frönen.
Loipen werden heutzutage in drei Schwierigkeitsgrade unterteilt, die wir schon vom alpinen Skilauf kennen: Die blauen sind leicht, die roten mittelschwierig und die schwarzen schwer.
Backcountry kommt aus Nordamerika, wo es den Skitouren-Zirkus in der in den Alpen bekannten Form eigentlich nicht gibt. Back country, isolated, undeveloped. „Hintaus“ tät der geborene Niederösterreicher vom Land sagen.
Was hat der Backcountryist, was der Nordic Cruiser nicht hat? Er hat eine robustere Ausrüstung, weil er sich im freien Gelände bewegt, und er hat eine Ahnung von Orientierung und Kartenlesen, weil er auch wieder heimkommen will. Je tiefer ins Hinterland vorgedrungen, umso besser muss die alpine Erfahrung sein. Besonderes skifahrerisches Können ist nicht vonnöten, ganz große Meister des Metiers beherrschen den Telemark-Schwung.
Am Fuß trägt der Backcountry-Tourist einen stabilen Schuh bis über den Knöchel, korpulentere Herrschaften benutzen eine stabile Nordic-Bindung, die mit dem Schuh kompatibel sein muss. Unten dran hängt der Backcountry-Ski: etwas kürzer als eine Langlauflatte aus früherer Zeit, dafür breiter und etwas tailliert. Eine lange Schuppe für den Aufstieg und Stahlkanten für harte Tage bergab machen die Sache komplett. Rucksack und die übliche mehrschichtig aufgebaute Outdoorausrüstung sind obligat, Teleskopstöcke ideal, weil man beim Dahinwandern einen längeren Stock braucht als beim Abfahren.
Die gesamte Ausrüstung kann bei uns nur über Nordic-Spezialisten bezogen werden und kostet viel Geld. Mit etwas Komforteinbuße lässt sich die Sache auch billiger machen: Ein guter Schuppenski steht vielleicht sogar noch im Keller, darauf kommen eine klassische Langlauf-Bindung und ein stabiler, über den Knöchel reichender Skating-Schuh. Fertig ist die Backcountry-Grundausstattung; bei harten Verhältnissen gilt allerdings ein Startverbot.
Der Backcountry-Crosser sucht sich seine Reviere meist selbständig. Bei frischem Schnee wandert er vielleicht gleich hinter dem Eigenheim über die Wiesen „hintaus“. Er sucht nach beschilderten Mountainbike-Routen der leichteren Art, weil ihm deren Steigungen und Gefälle auch zupass kommen. Er verfolgt die ganz, ganz leichten Skitouren und freut sich, bei der Abfahrt nur zweimal gestürzt zu sein. Und er sucht in den einschlägigen Führern nach Hinweisen, die mit „touristisch interessant“ bewertet sind.
Während Schneeschuhgeher auf langen, sanften Höhenzügen bereits ermattet zusammensinken und alpine Tourengeher mit ihren bockigen Tourenschuhen murrend dahingrummeln, kann sich der Backcountry-Crosser — noch immer leichten Fußes unterwegs — frohgemut der prächtigen Landschaft erfreuen.
Text und Fotos von Helmut Frießenbichler
Den gesamten Artikel, der im Naturfreund 4/2009 erschienen ist, inkl. Empfehlungen für die idealen Reviere finden Sie hier zum Downloaden!