Der Verband der alpinen Vereine Österreichs, die Naturfreunde Österreich und die anderen Mitglieder im VAVÖ wenden sich mit einem dringenden Appell gemeinsam an die Öffentlichkeit und die Bundesregierung. Denn 272 hochalpine Schutzhütten und 50.000 km Wanderwege befinden sich in einer akuten Notlage und drohen aus finanzieller Not und aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse infolge der Klimakrise buchstäblich wegzubröckeln. Die alpinen Vereine setzen nun einen Notruf ab: Nur ein finanzielles Rettungspaket in der Höhe von 95. Mio. Euro kann ihnen die Bedingungen schaffen, um Schutzhütten und Wanderwege für alle Erholungssuchenden am Berg weiterhin zu bewahren. Begleitet von einer Informations-Kampagne und einer Petition zur Mobilisierung ihrer über 906.000 Mitglieder treten sie nun mit ihrem Anliegen an die Regierung heran.
Drei bis vier Hütten pro Jahr können im Durchschnitt von den alpinen Vereinen nicht mehr weitergeführt werden. Auch einzelne Wege werden gesperrt oder aufgelassen. Gerald Dunkel-Schwarzenberger zeigt sich als Präsident des Verbands alpiner Vereine betroffen: „Alpine Hütten und Wege erfüllen nicht nur eine Schutzfunktion, sie sind ein Identitätsmerkmal Österreichs und spielen eine wichtige Rolle in der regionalen Wertschöpfung. Sollten sie als Kultur-, Sport- und Bildungsraum verloren gehen, wäre dies nicht nur für alle Erholungssuchenden am Berg eine Katastrophe, sondern auch für den Tourismus – ganz abgesehen von der wichtigen Funktion der Hütten und Wege für die Besucher:innenlenkung auf den Bergen.“ In Anbetracht dieser prekären Lage sind sich die alpinen Vereine einig: Nur mithilfe eines finanziellen Rettungspakets in der Höhe von 95. Mio. Euro können dringende Sanierungen umgesetzt und die Wanderwege weiterhin ehrenamtlich für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
Die 50.000 km Wege und Steige werden von den Ehrenamtlichen der alpinen Vereine betreut. Sie erneuern die Markierungen, beseitigen Steine und Äste oder überprüfen Geländer, Brücken und Stufen auf ihre Festigkeit. Die Haftungen der alpinen Vereine als Wegehalter werden dabei immer umfangreicher, der Arbeitsaufwand nimmt infolge der Klimakrise stetig zu.
„Die Wanderwege sind wie eine Visitenkarte der heimischen Bergwelt. Allein im Alpenverein sind über 1.000 ehrenamtliche Personen im Einsatz, um das Wegenetz für die Allgemeinheit in Schuss zu halten. Dafür bringen sie jedes Jahr tausende ehrenamtliche Arbeitsstunden auf, und dieser Aufwand steigt aufgrund der zunehmenden Extremwetterereignisse ständig an“, betont Alpenvereinspräsident Wolfgang Schnabl mit Nachdruck.
Die Folgen der Klimakrise sind besonders im Gebirge stark zu spüren. Mit Sorge beobachten die alpinen Vereine das Auftauen des Permafrosts, Wasserknappheit, immer mehr schwere Extremwetterereignisse, Hangrutschungen und Felsstürze.
Günter Abraham, Geschäftsführer der Naturfreunde Österreich, beschreibt die Situation eindrücklich: „In den nächsten Jahrzehnten werden durch den Klimawandel große Herausforderungen auf uns zukommen. Neben sozialen Problemen wie Hunger oder Armut sind wir mit den zerstörerischen Auswirkungen auf die Natur und Umwelt in unseren Bergen konfrontiert. Der Erhalt unserer alpinen Hütten und Wege wird unser aller Leidenschaft und Kraft benötigen. Ohne den außergewöhnlichen Arbeitseinsatz der vielen ehrenamtlichen Funktionär:innen ist dieses Vorhaben schlichtweg nicht möglich. Es liegt mir sehr daran, dass die Bundesregierung durch eine finanzielle Zuwendung ihren Respekt und Dank für das Geleistete zum Ausdruck bringt und so mithilft, dieses österreichische Kulturgut zu erhalten.”
Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit werden beim alpinen Hüttenbetrieb gerade aufgrund ihrer exponierten Lage großgeschrieben – nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch bei der Abwasserklärung und Aufbereitung, der Abfallvermeidung- und Entsorgung bis hin zu regionalen und saisonalen Produkten im kulinarischen Angebot. Die alpinen Hütten nehmen eine Vorreiterrolle im ressourcenschonenden Bewirtschaften ein.
Die Ursachen für die finanzielle Notlage sind vielfältig: Zum Teil sind die Hütten bereits 150 Jahre alt. Größere Sanierungs- und Ersatzbauprojekte haben sich aufgrund der begrenzten und wertreduzierten Mittel über die Jahre hinweg angestaut. Die Bewirtschaftungszeiten der Hütten sind kurz und die Bedingungen erschwert. Nahezu keine Hütte kann die Instandhaltungskosten aus dem laufenden Hüttenbetrieb finanzieren. Die Vereine sind auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuschüsse der öffentlichen Hand angewiesen, um die alpine Infrastruktur aufrecht zu erhalten.
Die Fördermittel für die alpinen Vereine von durchschnittlich 18 % der laufenden Instandhaltungskosten für Hütten sind deutlich zu gering. Ein Teil dieser Förderungen wird von Gesetzes wegen nicht nur für Hütten und Wege, sondern auch für andere Bereiche wie Geschäftsstellen, Kletteranlagen, Sonderprojekte und Sportstätten verwendet. Sonstige Landesförderungen sind nicht inkludiert. Trotz einer Anpassung der Mittel zur Förderung der alpinen Infrastruktur im Jahr 2013 reichen diese nicht mehr aus, um die Hütten und Wege für die Zukunft zu erhalten. Diese Bundesmittel wurden seitdem nicht mehr an die Inflation angepasst. Zugleich sind die Baukosten im Tal seit 2013 um 42 % gestiegen, im Hochgebirge noch dramatischer.
Michael Platzer, Geschäftsführer des Österreichischen Touristenklubs, findet in Anbetracht der Sachlage klare Worte: „Mit 300.000 Euro an Fördermittel können wir keinen Ersatzbau einer Schutzhütte realisieren, wenn dieser in der Regel 3 bis 4 Millionen Euro kostet. Wird die Schutzhütte aufgegeben, werden auch die Wege nicht mehr begangen und damit stellt sich unweigerlich die Frage, wie Österreichs Wirtschaft ohne Sommertourismus überleben wird.“