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Mit dem Rad durch die Basilikata & Apulien

Wer den Sommer verlängern möchte, reist am besten im Herbst in den Süden Italiens. Dort erwartet einen azurblaues Meer und duftende Macchia. Die Luft ist noch angenehm warm, das Wasser lädt zum Baden ein, die Straßen sind leer. Perfekt zum Radfahren!

 Text und Fotos: Thorsten Brönner, Autor, Fotograf und begeisterter Radfahrer

 

Die außergewöhnliche Stadt Matera liegt in der süditalienischen Region Basilikata. Die Höhlenwohnungen von Matera - „Sassi di Matera“ - wirken wie aus der Zeit gefallen. Sie scheinen direkt aus dem nackten Tuffstein zu wachsen und ziehen sich von einem Hügel bis hinab in eine Schlucht. Von der Piazza Vittorio Veneto fällt der Blick in die Tiefe. Die Morgensonne modelliert ein ineinander verschachteltes Gewirr aus Rundziegeldächern, bröckelnden Hausfassaden, Treppen und Gässchen. In den Sassi lebten bis zu den 1950er-Jahren noch rund 20.000 Menschen. Wegen der dort herrschenden katastrophalen hygienischen Zustände wurden die BewohnerInnen allerdings in neue Wohnblocks umgesiedelt. Heute sind die Sassi zu einer Museumsstadt geworden.

 

Zwei Weltkulturerbestätten

Die Vorfahren des gefeierten Regisseurs Francis Ford Coppola stammen aus der Basilikata. Er schwärmte: „Wenn man Basilikata sieht, sieht man Felder, Weinberge und wunderschöne Landschaftsstriche. Man sieht die Welt so, wie sie sein sollte.“ Weniger pathetisch beschrieb der Schriftsteller Carlo Levi in seinem Buch „Christus kam nur bis Eboli“ die Missstände in dieser Gegend. Er verbrachte nämlich 1935/36 ein Jahr der politischen Verbannung in der Basilikata. Seine Erinnerungen wurden unter dem gleichen Namen von Francesco Rosi verfilmt. Und Mel Gibson drehte in Matera den Großteil der Außenszenen seines Films „Die Passion Christi“.

 

Auch die UNESCO war von den Sassi di Matera begeistert und erhob sie 1993 zum Weltkulturerbe.

Bis zur nächsten Weltkulturerbestätte sind es gerade einmal 70 Radkilometer. Es ist Alberobello. Die Stadt liegt bereits auf apulischem Boden und vermittelt ein komplett anderes Bild. Freundlich, hell, putzig: So könnte man die eigentümlichen Kegelbauten beschreiben, von denen sich rund 1400 Stück über die Altstadt verteilen. Die fotogenen Behausungen mit ihren spitz zulaufenden Dächern werden liebevoll „Trulli“ genannt. Die Bauweise, die ohne Mörtel auskommt, geht angeblich auf den Grafen Gian Girolamo II. di Acquaviva im 17. Jahrhundert zurück, der eine königliche Bestimmung aushebeln wollte. Sie besagte, dass man weitere Siedlungen nur mit einer Genehmigung errichten dürfe. Um den Erlass zu unterlaufen, befahl der Graf seinen Untergebenen, solche runden Häuser aus aufgeschichteten Steinen zu bauen, die vor dem Gesetz keine richtigen Häuser waren und für die man daher keine Steuern zu zahlen hatte. Im Fall eines nahenden Inspektors konnte man sie rasch abtragen und danach wieder leicht aufbauen.

 

Die Andenkenläden und Restaurants der malerischen Stadtteile „Aia Piccola“ und „Monti“ sind keine zwei Kilometer entfernt; danach rollt man in eine anmutige Landschaft, ins Valle d’Itria. Hier begrenzen aufgeschichtete Steinmauern die Grundstücke. Dazwischen ruht das Auge auf sanft geschwungenen Wiesen, weißgetünchten Trullis, Weizenfeldern und Gärten. In der Weinstadt Locorotondo vertrauen wir uns der Fahrradroute „IT1B“ an. Steil ansteigende Terrassen umgrenzen den beschaulichen Ort. Die Winzer setzen für ihre Weißweine, für die sie das begehrte DOC-Siegel erhalten haben, vor allem auf die Rebsorten Verdeca und Bianco d’Alessano. Auf der Weiterfahrt wird das Terrain zusehends hügeliger. Vorbei an der Gemeinde Martina Franca hält die Route auf Ostuni zu.

 

Im Schmelztiegel der Kulturen

Ostuni gleicht einer Festung, die ihr Baumeister auf drei Hügelkuppen gesetzt hat. Die Fassaden der ineinander verschachtelten und übereinander getürmten Häuser sind gekalkt. Daher spricht man von der „Weißen Stadt“. Ringsum dehnt sich eine alte Kulturlandschaft aus. Ihr passt man beim Radfahren seinen Rhythmus an. Der Weg führt durch Weingärten, Olivenhaine und Gärten mit Mandelbäumen. Hinter Avetrana glitzert der Golf von Tarent. Hier entfaltet sich die ganze Pracht der Küste: einsame Sandstrände, Felsenklippen, lauschige Badeorte.

 

Apulien erlebte in den letzten 2500 Jahren eine wechselvolle Vergangenheit. Griechen, Römer, Byzantiner, Normannen und Staufer drückten dem strategisch günstig am Mittelmeer gelegenen Territorium ihren Stempel auf. Später regierten hier die Königshäuser Anjou, Aragón, Habsburg und Bourbon. Sie alle hinterließen der Nachwelt bedeutende Bauwerke und schufen damit ein reiches Kulturleben. Ein gutes Beispiel für die verschiedenen Einflüsse ist Gallipoli. Griechische Kolonisten gründeten die „schöne Stadt“ 265 v. Chr. unter dem Namen Kallipolis. Die Kirche bauten die Spanier, und das Castello Angioino wurde unter der byzantinischen Herrschaft begonnen und von einem Baumeister der Krone Aragóns vollendet.

 

Das Ende der Welt

Apulien hat 800 Kilometer Küstenlinie. Das Gebiet südlich von Gallipoli gehört zu den malerischsten des Landes. Romantiker nennen diesen Abschnitt Maledivenküste. Das geschäftige Stadttreiben mit seinen Motorrollern und Kleinwagen liegt rasch zurück. Was bleibt, ist das beständige Rauschen der Brandung. In der Tat ist alles so, wie es in den Reiseführern steht: Die Strände sind wie weiß gepudert, das klare Meer schimmert, je nach Lichteinfall, mal türkis, mal tiefblau. Das Sträßchen führt an glattgeschliffenen Felsen vorüber, passiert hier einen herrlichen Aussichtspunkt und da eine einsam gelegene Bucht. Die Basilika Santa Maria de Finibus Terrae beim Ort Santa Maria di Leuca bildet den Auftakt zur nächsten Etappe. Vor der im 18. Jahrhundert errichteten Kirche dehnt sich ein weitläufiger Platz aus. Dahinter markiert ein schlanker Leuchtturm das Kap. Rechts breitet sich der Golf von Tarent aus. Linker Hand schlagen die Wellen des Ionischen Meeres ans Ufer. Sie wecken die Vorfreude auf die kommenden Stunden. „Baia Verde“ heißt dieser Küstenabschnitt. Er ist gespickt mit großartigen Meeresgrotten, steil in die See abfallenden Kalksteinmassiven und bizarren Karstbögen. In der Luft liegt der Wohlgeruch der Macchia, deren Büsche wie gelbe Farbtupfer aus den grünen Hängen leuchten. Dazwischen krallen Pinien und Kakteen ihre Wurzeln in den trockenen Boden. Mittendrin hangelt sich die Panoramastraße von einer Hügelkuppe zur nächsten.

 

Lecceser Barock

Otranto ist ein weiteres Fischerstädtchen, das zum Bleiben und Flanieren einlädt. Die Kathedrale Santa Annunziata mit dem bedeutenden Bodenmosaik, der Hafen und das Castello Aragonese vereinen sich zu einem wahren Kunstwerk.

 

Am finalen Reisetag sieht das Programm 50 Kilometer vor. Zunächst geht es zwei Stunden der Küste entlang. Dann schwenkt die Tour ins Hinterland ab. Es wartet die letzte Perle der Reise: Lecce. Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ist wie ein steinernes Geschichtsbuch. Unter Karl V. wurde sie befestigt, und ihre Altstadt bekam ihr heutiges Aussehen. Kunstfachleute sprechen vom Lecceser Barockstil, der sich durch die Vielfalt der plastischen Dekorationen auszeichnet. Am Abend leuchten die Fassaden der Paläste goldgelb. Reisende aus aller Welt spazieren über die belebten Plätze und tauchen in stille Gässchen ein. Hinter der Basilika Santa Croce stehen sie an einer Gelateria Schlange. Man kauft sich ein Eis und schlendert weiter. Ach, Italien!

Die Baia Verde liegt im Osten Apuliens
Das Zentrum von Alberobello steht unter dem Schutz der UNESCO
Weitere Informationen

Die 390 km lange Route zeichnet sich durch eine ruhige Streckenführung und gute Asphaltstraßen aus. Das Terrain ist meist leicht wellig, und die Steigungen sind in der Regel nicht schwer zu bewältigen.

 

Die Etappen

  1. Matera–Alberobello: 70 km
  2. Alberobello–Ostuni: 44 km
  3. Ostuni–Avetrana: 62 km
  4. Avetrana–Gallipoli: 58 km
  5. Gallipoli–Santa Maria di Leuca: 52 km
  6. Santa Maria di Leuca–Otranto: 52 km
  7. Otranto–Lecce: 52 km

 

An- und Rückreise

Für die Anreise per Flugzeug stehen in Apulien mit Bari-Palese und Brindisi-Casale gleich zwei Flughäfen zur Verfügung.

Per Zug kommt man direkt nach Matera und Lecce. Wer am Ende der Reise von Lecce nach Matera fahren möchte, ist auf zwei Bahnen (www.trenitalia.com und www.ferrovieappulolucane.it) angewiesen.

 

Veranstalter

Der Südtiroler Veranstalter FUNActive Tours bietet drei Radreisen durch Apulien an. Die hier vorgestellte Tour umfasst sieben Übernachtungen. Im Preis sind der Gepäcktransport, Karten und ein Leihrad inbegriffen. Optional kann man auch Transfers zum Flughafen oder zum Bahnhof buchen.

FUNActive Tours, Tel.: +39/04 74 77 12 10, www.italybike.info

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