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Lustradeln im Wienerwald

(Nicht nur) wandernde WienerInnen lieben den Wienerwald, radelnde WienerInnen sind geradezu vernarrt in seine kleinen landschaftlichen Kostbarkeiten, von denen nur erfährt, wer sie auf zwei Rädern erfährt.

Franz Schubert war es, Ferdinand Raimund und Ludwig van Beethoven waren es ebenfalls: verliebt in den Wienerwald. Warum? Weil man sich in ihm einfach „zu Hause“ fühlt und weil er ein ganz eigenes Gefühl der Behaglichkeit, Zufriedenheit, aber auch Inspiration ausstrahlt. Dabei wird man im Wienerwald große Attraktionen wie hohe Gipfel, wilde Felsszenerien und hochalpine Pfade vergebens suchen. Es sind die kleinen landschaftlichen Kostbarkeiten wie die Perchtoldsdorfer Heide, die Föhrenberge, der Naturpark Eichenhain oder einige Klammen, die den Reiz des Wienerwaldes ausmachen. Und es sind die vielen lauschigen Winkel und Mikro-Attraktionen wie die Salamander am Buchberg, die Idylle im Helenental und die Prachtbäume am Anninger, die uns zwingen abzubremsen und genau hinzuschauen. Auch das macht die Lust des Wienerwaldradelns aus: Die Pirsch nach verborgenen Schätzen, die Entdeckung des unscheinbaren Schönen, die Freude über die ersten Frühlingsblumen oder das Röhren der Hirsche im Herbst – alles Grund genug, langsam und vorausschauend zu fahren, vielleicht immer wieder abzusteigen und sich zu Fuß den am Weg liegenden Erlebniswürdigkeiten anzunähern. Im Folgenden zwei beispielhafte Wienerwald-Erfahrungen.

 

Beethovens Idylle

Diese landschaftlich wunderschöne und leichte Familientour gehört sicher zu den idyllischsten des Wienerwaldes. In die Pedale getreten wird in Heiligenkreuz mit seinem mehr als 800 Jahre alten Zisterzienserstift, der wohl größten kulturellen und geistlichen Attraktion des Wienerwaldes. Am Siegenfelder Weg geht es sanft bergauf und durch eine Föhrenallee um den Großen Bodenberg herum. Streckenweise rollen wir ausatmend bergab oder pedalieren genießend über sonnenhelle Lichtungen; genau das ist das Schöne an dieser Tour, dass kaum geschwitzt werden muss und anstelle von Anstrengung die Freude am Erleben und Radeln steht. Durchs Rosental wechseln wir ins malerische Helenental und auf eine Traum-Uferpromenade! Immer der glasklaren und smaragdgrünen Schwechat nach lustwandeln, nein, lustradeln wir durch ein überaus reizvolles Biotop, passieren kleine Felsdurchlässe und flache Uferbänke und erleben immer wieder wie von Künstlerhand gemalte Einblicke in den gemächlichen Lauf des Flusses. Kein Wunder, dass auch Beethoven diesen Abschnitt der Schwechat wegen seiner Unberührtheit und Stille besonders mochte: „Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande ,Heilig, Heilig‘, im Walde entzücken! Wer kann alles ausdrücken? Süße Stille des Waldes.“ Was hätte er wohl gesungen, wäre er der Schwechat mit dem Rad gefolgt?

 

Ein einziges Mal müssen wir uns anstrengen, nämlich auf einem kurzen Steilstück vom Ufer der Schwechat hinauf Richtung Kronprinz-Rudolf-Weg, der uns zur Augustinerhütte und weiter nach Schwechatbach führt. Über Mayerling gelangen wir wenig später zurück nach Heiligenkreuz.

 

Schwierigkeit: leichter, familientauglicher Radwanderweg mit fester Fahrbahndecke, leicht hügeliges Streckenprofil, unterdurchschnittliche Kondition ausreichend

Toureninfo: 23,8 km/1,5 Std./588 Hm ↑

 

 

Die Wege früher Lustwandler

Wenn man als Wiener Sehnsucht nach Bergfeeling hat, muss man nicht weit fahren, denn auch Erhebungen wie der Anninger haben durchaus das Zeug, als „Berge“ bezeichnet zu werden: 400 Höhenmeter machen nämlich auch schwitzen, das Hüttenfeeling im Anningerhaus kann mit jenem höher gelegener Bergstuben durchaus mithalten; und so prächtige Föhren wie am Anninger findet man sowieso kaum anderswo.

Ausgehend von Hinterbrühl passieren wir die in eine anmutige Wald- und Wiesenlandschaft eingebettete Operettenlandschaft um Gaaden, im 19. Jahrhundert eine beliebte Sommerfrische für Maler, Musiker und Dichter. Gleich danach führt uns eine Forststraße langsam in und durch föhrendurchsetzten Wald. Lange geht’s nun – anningerlike – ohne Verschnaufpause hoch und höher; im Finish der Bergwertung umfahren wir den Steinwandlgraben bis zum mehr als 100 Jahre alten Anningerhaus und höchsten Punkt unserer Tour. Oder geht’s doch noch höher? Ein Waldweg führt in wenigen Minuten zur Jubiläumswarte (653 m), die den höchsten Punkt des Eschenkogels, eines der vier Anninger-Gipfel, markiert und ein Traumpanorama von den Hainburger Bergen bis zu den Kleinen Karpaten, Gippel, Göller, Schneeberg und Ötscher bietet. Dann aber: abgefahren! Helm auf, Handschuhe an, hochgeschaltet und auf einer Forststraße bis zur ebenfalls mehr als 100 Jahre alten Waldrast „Krauste Linde“ gekurvt. Weiter mal steiler, mal flacher zum Naturdenkmal „Breite Föhre“ … wieder stopp! Hier stand einst ein 450 Jahre alter imposanter Baum, in dessen Schatten Franz Schubert, Arnold Schönberg und Ludwig van Beethoven so manchen Rausch ausgeschlafen und sich neue Inspiration gesucht haben sollen. Diese Ur-Lustwandler wussten also schon, wo es besonders hübsch ist im Wienerwald. Weiter bergab unter einem eindrucksvollen Baldachin von Föhrenkronen bis zum Naturdenkmal „Kleine Breite Föhre“, einer Bonsai-Ausgabe des berühmten Bruders. Mal steiler, mal flacher rollen wir bis Hinterbrühl hinunter und von hier auf der Gaadner Straße zum Ausgangspunkt zurück.

Fazit auch dieser, wie aller Wienerwaldtouren: Es lustradelt hier, wer den Augenblick zu genießen, das kleine Schöne zu erkennen und die leisen Seiten der Natur zu würdigen weiß.

 

Schwierigkeit: mittelschwere Radtour, hügeliges Profil für durchschnittliche HobbybikerInnen, kurze bis mittellange Steigungen

Toureninfo: 16,5 km/ca. 2 Std./509 Hm ↑

 

Text und Fotos: Thomas Rambauske, Redakteur beim Magazin „Land der Berge“, Buchautor und Betreiber des Outdoorportals www.bergnews.com

 

Weitere Informationen

Buchtipp:

Thomas Rambauske

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