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Speichentanz im Vulkanland

Radwandern im Thermenland ist kein Tanz auf dem Vulkan. Keine glühenden Lavaströme ergießen sich – höchstens ein paar Schweißbacherln rinnen, wenn man durchs österreichische Vulkanland schaukelt. Belohnt wird der feurige Biker mit kulinarischen Köstlichkeiten.

Die Erde bebt, das Land erzittert. Bei Gleichenberg öffnet sich ein riesiger Krater und stößt glühendes Magma aus. Ein ganzer Hügel wird geboren. Drei Dutzend Vulkane beginnen, das Land mit Lavabrocken zu bombardieren: Die afrikanische Kontinentalplatte schiebt sich unter die europäische. Das war vor etwa 17 Millionen Jahren …

 

Heute geht es im Südosten Österreichs wesentlich sanfter zu. Warme Quellen sprudeln in Bad Radkersburg aus der Tiefe und wärmen mit ihren mineralischen Wässern unsere müden Glieder. Der Basalt der Vulkane ist verwittert. Er gibt den Rebstöcken jene Mineralstoffe reichlich, die sie brauchen, um dem Traminer rund um Klöch seine spezielle blumige Note zu geben. Nicht mehr Basaltknollen liegen im Felde, sondern steirische Ölkürbisse. Und am Ende der landwirtschaftlichen Produktionskette steht oft eine original steirische Brettljause, deren Duft mit den Rauchschwaden ausbrechender Vulkane nichts gemein hat.

Im Steirischen Vulkanland haben sich 79 Gemeinden zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, die ihren Gästen ein Paradies für Weinkenner und Liebhaber regionaltypischer Köstlichkeiten bieten möchte. Damit der Cholesterinspiegel nicht allzu sehr in die Höhe schießt oder gar die Lenkerberechtigung in Gefahr gerät, erkunden wir die Region mit dem Fahrrad, wohl wissend, dass auch hier die 0,8 Promille gelten. Zu Zeiten des Erntedankes gilt es, diese Region zu umrunden. Wir forschen nach berühmten Strudeln, Spagatkrapfen oder gar nach geheimnisvollen Murnockerln. Nein, nicht nach den steinernen Zeugen des namengebenden Flusses! Gemeint ist eine süße Botschaft aus dem Südosten, hergestellt in einer Konditorei in Bad Radkersburg.

 

Auf geht’s!

Der Speichentanz rund um das Vulkanland beginnt in Bad Radkersburg, führt uns entlang des Thermenradweges (R 12) nach Norden, quert bei St. Anna am Aigen auf regionalen Radrouten nach Bad Gleichenberg und orientiert sich am Gleichenberger Radweg (R 45) nach Süden. Am letzten Stück des Mur-Radweges (R2) rollt die Tour in Radkersburg wieder aus. Dazwischen sind natürlich kleine Abstecher gestattet, denn schließlich kann man ja die Traminer-Metropole Klöch nicht links liegen lassen. Wer länger verweilen möchte, dem sei auch noch ein südlich positioniertes Ohrwaschel von Spielberg durch die slowenischen Hügel bis Gornja Radgona (deutsch: Oberradkersburg) ans Herz gelegt.

Die Region Bad Radkersburg bietet 1600 km beschilderte Radrouten, sogar eigene Radlotsen, die bereits erwähnten Murnockerln — und natürlich die Parktherme Bad Radkersburg mit 2620 m2 Wasserfläche in allen erdenklichen Spielarten. Als da sind: 50-Meter-Sportbecken, Riesenrutsche, Wasserfall, Wildbach und das 36 Grad warme Thermalquellbecken gegen diverse Wehwehchen. Zum Abschütteln des lästigen Alltagsärgers empfiehlt der Chronist mehrstündiges „Downsizing“ in der Therme, ehe tags darauf die Kette ins Ritzelpaket greift.

 

Glücklicherweise war der RadkersBURGER nur kurz im Gespräch der gescheiten Marketingexperten, und man besann sich dann doch der ehrenvollen Tradition einer mehr als 700 Jahre alten Habsburger-Stadt. Für ihre attraktive Altstadt — mit dem Rad gut erreichbar — erhielten die Stadtväter in der Neuzeit eine Europa-Goldmedaille.

 

Genießbare Goldmedaillen gibt’s in der Vinothek. 40 Winzer der Region bieten ihr Bestes zum Kosten an. Im Notfall muss nach einem intensiven Besuch der Rückzug zu Fuß angetreten werden.

Nun nehmen wir den Thermenradweg unter die Pedale. Gegen den Strich sozusagen und eigentlich nur das letzte Stückerl, denn der R 12 hat seinen Ursprung am Wechsel und schlängelt sich 148 km weit südwärts von Therme zu Therme. Zwischen Stadtzentrum und Bahnhof zweigt er auf eine Nebenstraße nach links ab. Aber kaum haben wir unter den vielen Taferln den richtigen Weg ergattert, müssen wir auch schon einen Abstecher machen.

 

Der Klöcher Traminer lockt uns ein Stück bergauf. Vor fast 50 Jahren beschrieb der legendäre deutsche Weinschriftsteller Ernst Hornickel den Klöcher Berg als einen der kostbarsten Traminerweinberge Europas. Engagierte Winzer keltern dort den Wein mit dem Duft der Rose. Boden und Klima helfen mit, eine blumige Fruchtfinesse zu bilden. Lang vorbei ist die Zeit der „Heckenklescher“. Ein säureintensiver, minderwertiger Wein ist das, der den Probanden nach übermäßigem Genuss in die Hecken kleschen lässt. Doch Vorsicht! Auch erstklassige Tröpferl in größeren Mengen genossen können dem Pedalritter das Gleichgewicht rauben.

Schön liegt St. Anna am Aigen auf einem Höhenzug. Das heißt halt wieder bergauf und vielleicht sogar Sehnsucht nach motorischer Unterstützung. Dem kann abgeholfen werden, indem der Pedaleur das Oldtimer-Motorradmuseum Legenstein betritt, um dort altes Eisen, pfleglich behandelt, heimzusuchen. Einen Weinweg der Sinne gäbe es auch zu bewandern.

 

Über Pichl und Steinbach bei Bairisch Kölldorf schummeln wir uns ins nächste Badeland, nach Bad Gleichenberg. Der Kurort mit sieben Heilquellen prunkt mit Herrschaftsvillen aus der Biedermeierzeit und einem neuen Heilbad samt Viersternehotel. Ruhige Gemüter finden hier Erbauung. Das Heilwasser darf auch getrunken werden. Uns winkt der Einstieg in den Gleichenberger Radweg in Richtung Straden. Die 28 m hohe Atlaszeder neben der Wallfahrtskirche Straden blickt seit 270 Jahren bis zu den slowenischen Hügeln des Schneegebirges. Wir tun es ihr gleich und bewundern das Panorama. Kaum woanders gibt es saftigere Äpfel, süßere Zuckermelonen, edlere Kastanien oder mächtigere Kürbisse.

 

Neben dem Wein sind im Herbst natürlich die Ölkürbisse allgegenwärtig. Aus 35 Kürbissen gewinnt man drei Kilo Kerne, aus denen ein Liter des nussig schmeckenden Kernöles gepresst wird. Käferbohnen mit Kernöl sind Tradition, Eierspeis mit Kernöl nicht jedermanns Sache, Vanilleeis mit Kernöl eine Erfahrung. Die Geschichte des steirischen Kürbiskernöls begann um 1735 und ist bis dato eine erfolgreiche.

Zurück ins flache Land. Bei Halbenrain mündet der R 45 in den Mur-Radweg. Wer Muße hat, fährt nun noch ein Stück zurück und besucht die sehenswerte Schiffsmühle bei Mureck, die nach einem Hochwasserschaden 2006 wieder im alten Glanze strahlt. Durch die Mur-Auen an der letzten Fließstrecke vor Slowenien schlängeln wir uns zurück nach Bad Radkersburg und haben das im Online-Wörterbuch Vulkanland (www.mundart.vulkanland.at/de/steirische-mundarten/) gesprochene „Pfia Goutt“ von Friedrich Prassl aus Neusetz bei Straden noch lange im Ohr.

 

Text von Ferdinand v. Lamberg

 

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