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Schauen, dass alles passt

Was einem Guide vor und während eines Freeridetages durch den Kopf geht und welche Sicherheitsmaßnahmen sowie sonstige Vorbereitungen nötig sind, erfährst du im folgenden Artikel.

 

Text: Stephan Skrobar, staatlich geprüfter Schilehrer, Schiführer und Alpinausbildner für den steirischen Schilehrerverband

 

 

Natürlich gibt es auch andere Motivationen als meine, einen oder mehrere Tage Lebenszeit dem Freeriden zu widmen. Meine Motivation ist es, Spaß zu haben; und dass ich auch beruflich mit Freeriden zu tun habe, macht es meistens noch schöner.

Will man, dass ein Freeridetag freudvoll verläuft und auch so endet, muss man Sicherheitsmaßnahmen einhalten und die Risiken abschätzen. Dazu bedarf es gründlicher Vorbereitung und ausgeprägter Aufmerksamkeit.

 

 

Die Zeit vor einem Freeridetag

 

Die zu betreuende Gruppe

Mit wem bin ich unterwegs? Es geht vor allem um Können und Kondition, aber auch um gruppendynamische Prozesse, die sich aus den verschiedenen Persönlichkeiten in einer Gruppe während einer Tour entwickeln können. Es gibt ehrgeizige Personen (sie sind meist männlich), die sich gerne überschätzen, es gibt kompetente Freerider*innen, die eher entspannt und ruhig auftreten, es gibt aufgeregte Neueinsteiger*innen, denen man die Nervosität nehmen muss, und so weiter. Und natürlich spielen - unabhängig vom Können - die Gruppengröße und die Tatsache, ob ich einen Second Guide mit dabeihabe, eine Rolle.

 

Das Gelände

Wenn ich die Region nicht kenne, nehme ich die vielfältigen Möglichkeiten in Anspruch, mich über Geländeformen zu informieren. Allgemein lese ich aus Kartenmaterial heraus, welche Geländekammern mit Liftnutzung und eventuell kurzem Aufstieg erreichbar sind. Es gibt viele Karten und hilfreiche Apps, die Formen und Hangneigungen grafisch oder auch fotografisch darstellen. Für eine risikobewusste Planung ist das Wissen über Steilheit und Geländeform entscheidend. Hilfreich ist hier zum Beispiel das Naturfreunde-Tourenportal (tourenportal.at). Man muss auch die Zustiegs- und vor allem Ausfahrtsqualität kennen. Welche Wege und Straßen, oder öffentliche Verkehrsmittel etwa führen zurück zum Ausgangspunkt? Habe ich eine lokale Taxitelefonnummer griffbereit? Habe ich überall Handyempfang?

Besonders wertvoll sind einheimische Kolleginnen und Kollegen, die ich anrufen kann, um mich über Bedingungen und Möglichkeiten zu informieren.

 

Die Bedingungen

Unabhängig davon, ob ich in bekanntem oder unbekanntem Gebiet unterwegs sein werde, beobachte ich die Tage vor der Tour die Wetterentwicklung. Ich studiere nicht nur Prognosen und Modelle, sondern auch Lawinenlageberichte und Rohdaten der Wetterstationen in der Region, um ein Gefühl für die Schneequalität und den Schneedeckenaufbau zu bekommen.

 

Übrigens: Die Vorbereitung auf einen Freeridetag, egal ob im Freundeskreis oder beruflich als Guide, löst bei mir noch immer kribbelnde Vorfreude aus!

 

 

Während einer Tour

Es klingt anstrengender, als es ist: Wenn ich unterwegs bin, beobachte ich laufend, was um mich herum passiert, um kurzfristig Entscheidungen treffen zu können. Laufend bedeutet, mir ein kontinuierliches Übersichtsbild zu verschaffen, laufend heißt aber auch, die lokalen Gegebenheiten, den Einzelhang vor Ort, ständig im Auge zu behalten.

 

Das Wetter und die Schneebedingungen

Zunächst checke ich, ob das Wetter und die Schneebedingungen so sind, wie ich sie aufgrund der Planung erwartet habe. Darüber hinaus habe ich das Wetter ständig im Auge. Rasche Änderungen bei Temperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung sowie eventueller Niederschlag wirken sich massiv auf die Schneedecke aus. Dass das die Lawinengefahr beeinflussen kann, ist bekannt. Denn auch wenn es mir vor allem um die Schneequalität geht – die wichtigste Rolle spielt das Risikomanagement. Rapide Änderungen der klimatischen Verhältnisse können innerhalb weniger Minuten aus feinstem Powder bockiges Porridge machen, aber auch zu viel Feuchtigkeit aus der Schneedecke saugen. Auf solche Änderungen gilt es, schnell und richtig zu reagieren.

 

Das Gelände

Geländeparameter permanent zu beobachten hat sich bei mir über die Jahre automatisiert und passiert selbstverständlich. Ist das Gelände wirklich so, wie ich es mir vorgestellt habe? Sind die Einfahrtsbereiche steiler als gedacht? Finde ich Geländefallen, die bei der Planung nicht ersichtlich waren? So kontrolliere ich laufend, ob sich Planung und Ist-Zustand decken.

 

Die Gruppenmitglieder

Und selbstverständlich beobachte ich die Menschen, die mit mir unterwegs sind. Ich versuche - zusätzlich zu dem, was sie mir sagen - zu erkennen, wie motiviert, risikobereit, ängstlich oder überfordert sie sind. Es gibt viele Zeichen, die mir helfen, den mentalen und körperlichen Zustand der Gruppenmitglieder zu erkennen und dementsprechend zu reagieren.

 

Ich achte auch darauf, wenn möglich, überlaufene Hänge zu vermeiden, sowohl aus Sicherheitsgründen als auch um unnötigem Stress aus dem Weg zu gehen.

 

Während einer Tour muss man als Guide ständig das Wetter, die Schneebedingungen, das Gelände und die Gruppe im Auge behalten.
WER geht WANN Wohin?

Das Konzept w3 der Naturfreunde dient zur Selbsteinschätzung für eigenverantwortliches Handeln im winterlichen Gebirge. Mehr zum Thema Risikomanagement erfährst du hier >

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